Der Rebell - Schattengrenzen #2
die Zusammenhänge aus ihrer Sicht. Aber damals war ich klein, ein Kind. Alles, was ich jetzt weiß, hat sich aus meinen Erfahrungen … nein, aus meiner Verbindung zu meinem Alter Ego ergeben.«
»Du bist mit dem Wächter verbunden.«
Daniel setzte sich auf die Lehne. Er griff nach Olivers Hand. »Ich war als Kind und Jugendlicher zwei Mal durch eine Krankheit auf der anderen Seite der Spiegel. Ein Teil von mir ist dort geblieben, Olli. Ich kenne also mein Alter Ego und habe eine ständige Verbindung zu ihm.«
Die Spiegel, Wege, ein leiser Nachhall einer Erinnerung erwachte. Wie ein Flüstern blieb es zurück, ein Gefühl perlenden Wassers. Das war vor nicht allzu langer Zeit …
Ich bin hier, um dir einige neue Möglichkeiten zu zeigen, Wege, die du und dein halb toter Freund nicht wissen.
Richtig, der Traum.
In der Nacht nach Walters Tod war ihm der Wächter, nein, der alte Mann aus dem Heim begegnet und hatte ihn durch diese erstickende Wasserfläche eines Spiegels gezogen.
Wie kam er nur darauf? Vor allem jetzt?
Dein halb toter Freund …
Er meinte Daniel.
»Bist du je selbst durch die Spiegel getaucht?«
Fragend hob Daniel die Brauen.
»Ich hatte einen Traum von dem Mann, diesem Geist aus der Reha, der mir immer wieder begegnete. Er war zuerst ein Wächter, ein unheimlich freundlicher, lieber Kerl, vielleicht sehr ungeschickt, aber in seinem Wesen ganz und gar nicht grausam.«
»Das passiert so gut wie nie. Er müsste entmenschlicht sein«, murmelte Daniel.
Camilla ließ sich in den Sessel fallen. »Sie sind eher monströs, nicht?«
Er nickte. »Die, die kein lebendes Pendant haben, sind monströs, weil sie ihre Menschlichkeit abgelegt haben.«
»Nein, der nicht. Er war wie ein lieber alter Mann, so wie ich ihn kennengelernt habe.«
Daniel wiegte den Kopf. »Gut, ein Traum eben.«
Oliver schüttelte den Kopf. »Hört mir doch erst mal zu. Er zog mich mit in die Spiegel und sagte, er sei da, um mir neue Möglichkeiten und Wege zu zeigen, die mein halb toter Freund nicht kennt.«
Camilla fuhr zusammen. Ihr Blick huschte automatisch zu Daniel. Wusste sie, dass er damit gemeint war?
Daniel schob eine Hand in die Hosentasche. »Das klingt danach, als würde man durch die Fläche tauchen können und diese verrottete Totenwelt als Übergang nutzen, zumindest wenn man schläft.«
»Es ist ein Traum.« Camillas leise Stimme war eine Mahnung.
»Oder ein Hinweis. Kurz danach bin ich in meinem Traum im Keller unter Walters Haus aufgetaucht, wo mir der erste Wächter in der Realität über den Weg gelaufen ist.«
Sie knotete sich die Locken zusammen und schob sich einen Pinsel durch. »Hinweis könnte hinkommen.«
»In dem Moment bin ich von Daniel geweckt worden.«
Sie warf ihm einen strafenden Blick zu. »Nachdem er sich selbst entlassen hat.«
Oliver nickte.
»Wahrscheinlich hast du es noch nicht versucht, oder?« Sie hob die Brauen.
»Wie denn, ich bin ja eben erst drauf gekommen, du Scherzkeks.«
»Vielleicht solltest du es mal versuchen. Das wäre zumindest eine Möglichkeit, die diese Schleimbacke Aboutreika nicht ausspähen kann …« Sie legte eine Kunstpause ein. »Wenn es nicht nur ein Traum war.«
»Eintauchen in die Spiegelwelt.« Oliver legte einen Arm um Camilla und einen um Daniel. »Sollte es funktionieren, haben wir die perfekte Methode der Kommunikation gefunden.«
Die lange Nacht
N atürlich funktionierte dieser »Trick« nicht nach Wunsch. Oliver setzte die Kaffeetasse ab und starrte über den Rand. Ihm gegenüber saß Daniel, dessen nackter Fuß gegen seinen stieß. Er wirkte nicht weniger missmutig. Wovon hatten sie überhaupt geträumt? Wahrscheinlich von nichts. Zumindest Oliver war zu erschöpft gewesen.
Lustlos biss er in sein Käsebrot. Der Bissen schien in seinem Mund mehr zu werden.
»Mann, du ziehst eine Fresse …« Matthias ließ sich neben Oliver nieder. »Habt ihr Schluss gemacht oder was ist los?«
»Das als Letztes.« Daniels Stimme glich einem dumpfen Grollen.
Aufmerksam straffte Matthias sich. »Was denn sonst?«
»Wir haben was probiert.« Scheiße, klang das doppeldeutig. Oliver vergrub das Gesicht in seinen Händen. »Leg es bloß nicht wieder falsch aus, okay?«
»Ich dachte schon.« Matthias grinste.
Na, wenigstens einem ging es blendend.
Oliver schob ihm Kaffee und Brot hin. »Willst du? Ich bekomme gerade nichts runter.«
Irritiert nickte Matthias. »Jetzt mache ich mir Sorgen um dich.« Er nippte an dem Kaffee. »Was ist
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