Der Rebell
ich Sie nämlich hier und jetzt umbringen werde, Ian McKenzie.«
»Schon gut. Vorerst spielen die Gründe Ihrer Indiskretion keine Rolle.«
»Indiskretion?«
»Entschuldigen Sie, daß ich Sie so unverblümt darauf hinweise — in unseren Gesellschaftskreisen pflegen junge Damen nicht splitternackt herumzulaufen.«
Wütend stürzte sie sich auf ihn. Der Angriff überrumpelte ihn, er verlor das Gleichgewicht, und beide landeten im Gras. Ein paar Sekunden lag Alaina auf Ian und erwiderte seinen verblüfften Blick. Dann gewann sein männlicher Stolz die Oberhand. Blitzschnell drehte er sich mit ihr herum, und sie war unter dem Gewicht seines Körpers gefangen.
Um sie nicht zu erdrücken, stützte er seine Hände zu beiden Seiten ihres Kopfes auf den Boden. »Großer Gott,
Sie besitzen wirklich ein erschreckendes Temperament. Vielleicht hätten Sie nach dem Tod Ihrer Mutter in der Obhut einer Haushälterin aufwachsen sollen.«
»Wagen Sie es bloß nicht, meinen Vater zu beleidigen!«
»Miss McMann ...« Er richtete sich auf, so daß er ihre Hüften zwischen seine Schenkel klemmte. »Niemals würde ich diesen guten Mann beleidigen. Und genau darin liegt die Quintessenz des Problems.«
»Wenn Sie mich einfach gehen lassen ...«
»Das ist unmöglich.«
»Aber ...«
»Peter O'Neill, dieser bösartige kleine Angeber, wird sein Bestes tun, um die Affäre aufzubauschen und Unfrieden zu stiften. Da Lavinia sich schmählich hintergangen fühlt, wird sie ihn eifrig unterstützen. Lange kann's nicht mehr dauern, bis alle Spatzen von den Dächern pfeifen, wir hätten's schamlos im Gebüsch getrieben.«
»Und? Was schlagen Sie vor?«
Er zögerte, und es fiel ihm sichtlich schwer, die nächsten Worte auszusprechen. »Offenbar bleibt uns nichts anderes übrig, als zu heiraten.«
»Nein«, flüsterte sie. Alles Blut wich aus ihren Wangen. Wäre sie doch in der schwarzen Tiefe des Wassers versunken ... Sie bedeutete ihm nichts. In seinen Augen war sie nur ein ungezogenes, leichtfertiges kleines Ding, das ihn in eine prekäre Lage gebracht hatte. Aber er wollte seine Pflicht tun. Beinahe hätte sie gelacht. Peter hatte ihr versichert, kein respektabler Mann würde jemals um ihre Hand bitten. Und nun sollte sie ausgerechnet mit dem hochgeschätzten McKenzie-Erben vor den Altar treten. Welch eine traurige Ironie ...
»Verstehen Sie denn nicht?« fragte Ian irritiert. »Wir haben keine andere Wahl. Denken Sie doch an Ihren Vater.«
Sicher würde sich ihr armer Papa die Schuld an der ganzen Misere geben, weil er sie nicht richtig erzogen hatte. »Wie auch immer, ein Skandal läßt sich nicht vermeiden. Die Leute werden behaupten, Sie würden mich nur heiraten, weil man uns erwischt hat. Wenn wir jetzt ins Haus gehen ...«
»Wir heiraten, bevor wir nach Cimarron zurückkehren.«
»Unmöglich ...«
»Da Reverend Dowd an heftigen Zahnschmerzen leidet, konnte er nicht zu Vaters Geburtstagsparty kommen. Er blieb daheim bei seiner Frau und seinem Schwager. In einer halben Stunde werden wir sein Haus zu Fuß erreichen. Dann leihen wir uns ein Pferd und reiten hierher zurück. Zerknirscht und reumütig beteuern wir, es würde uns zutiefst bedrücken, daß unser Ehestand ans Licht kam, bevor wir eine Gelegenheit fanden, Ihren Vater und meine Eltern zu informieren.«
»Aber ich bin nicht volljährig.«
»Trotzdem ist die Ehe legal, es sei denn, Ihr Vater läßt sie annullieren.«
Blicklos starrte sie ihn an. Natürlich, es war die beste Lösung, den Eindruck zu erwecken, sie wären bereits seit einiger Zeit verheiratet. Damit würden sie Peter und Lavinia den Wind aus den Segeln nehmen. Aber der Gedanke, Ian McKenzies Frau zu werden ... Er erschien ihr so fremd, so kalt, so unnahbar, ein Mann, der stets seinen eigenen Weg gehen und jeden Widerstand brechen würde. Plötzlich fühlte sie sich elend. Wie konnte sie ihr Schicksal in die Hände eines Mannes legen, der sie verachtete — der glaubte, sie hätte die schreckliche Situation heraufbeschworen, um einen anderen zu verführen?
Sie kannte ihn doch kaum. Nein, das stimmte nicht. Früher hatte sie ihn gekannt. Sie wußte sehr viel über ihn. Mit seinen Onkeln und Vettern hatte er die Wälder und das Sumpfgebiet im Süden durchstreift und die harten Lektionen eines Indianerjungen gelernt. Er beherrschte die Sprachen der Hitichi- und Mikasuki-Stämme, der Muskogee-Seminolen. Einmal hatte ihr Sydney voller Stolz erzählt, Ian könne einen ausgewachsenen Alligator mit bloßen
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