Der Rebell
Händen bekämpfen — und besiegen. Vielleicht rührte die Feindseligkeit zwischen Peter O'Neill und Ian von jener Keilerei in ihrer Kindheit her. Peter hatte die Indianer verunglimpft. Daraufhin war Ian über ihn hergefallen und hatte ihm die Nase blutig geschlagen.
Ja, früher hatte Alaina ihn gekannt, und er sie. Aber da war sie ein Kind gewesen, die Freundin seiner kleinen Kusine Sydney, und sie hatten Ian, Jerome, Brent und Julian begleitet, am Fluß geangelt und die Wälder erforscht. In einer anderen Zeit, in einer anderen Welt. Heute waren sie sich fremd.
Als er sich erhob und ihr auf die Beine half, hatte sie ihm noch keine Antwort gegeben. Er hielt ihre Hand fest, und sie gingen schweigend in den Schatten der Bäume.
Inzwischen würden sie alle Bescheid wissen, die hochangesehenen McKenzies und der arme weltfremde Wissenschaftler Theodore McMann. Das Täuschungsmanöver — die Hochzeit, die angeblich schon vor einiger Zeit stattgefunden hatte — würde den Skandal nur unmaßgeblich mildern. Plötzlich blieb Alaina stehen und versuchte, Ian ihre Hand zu entziehen. »Haben Sie sich das auch wirklich gut überlegt, Ian?«
»Sehen Sie einen anderen Ausweg?« fragte er höflich.
»Aber die Scheidung würde noch größeres Aufsehen erregen.«
»Wir lassen uns nicht scheiden. Keine Bange, Sie werden mich nur selten sehen. Ich muß zu meinem Stützpunkt zurückkehren. Vielleicht wird ein Krieg ausbrechen, und dann dürfte unser kleines Problem keine Rolle mehr spielen.«
»Ein Krieg?« Unwillkürlich folgte sie ihm, als er weiterging. »O nein, Ian, wenn es Schwierigkeiten gibt, wird sich Florida einfach von der Union lossagen. Andere Staaten werden diesem Beispiel folgen und eine neue Nation gründen. Verdammt, Ian ...«
Statt zu antworten, beschleunigte er seine Schritte, und sie mußte laufen. Bald ging ihr die Puste aus, und sie konnte aus Atemnot keine weiteren Argumente Vorbringen.
Es dauerte nicht lange, bis sie den gepflegten eingezäunten Rasen vor dem Haus des Reverends überquerten. Als Ian an die Tür klopfte, begann Alaina am ganzen Körper zu zittern. »O Gott, das kann ich nicht ...«
»Wie ich Ihnen bereits sagte, es bleibt Ihnen nichts anderes übrig. Hätten Sie auf Ihr skandalöses Bad in unserem Teich verzichtet, müßten wir nicht heiraten.«
»Hah! Wenn Sie nicht nackt ins Wasser gesprungen wären, um mit der vermeintlichen Witwe Trehorn Unzucht zu treiben, wäre das alles nie passiert!«
In diesem Moment ging die Tür auf, und eine grauhaarige Frau mit sanften braunen Augen und rosigen Wangen starrte Alaina entgeistert an.
»Guten Tag, Mrs. Dowd«, grüßte Ian fröhlich.
Am liebsten wäre Alaina im Erdboden versunken. Offensichtlich hatte sie das Wort >Unzucht< zu laut ausgesprochen.
Mrs. Dowd hob die Brauen. Ansonsten ließ sie sich nicht anmerken, was sie gehört hatte. »Welch eine nette Überraschung, Ian! Kommen Sie doch herein. Es tut uns so leid, daß wir die Party Ihres Vaters versäumt haben ...«
»Darüber bin ich sogar froh. Das werde ich Ihnen und dem Reverend auch umgehend erklären, wenn Sie gestatten ...«
»Natürlich, führen Sie die — eh — junge Dame herein.«
Alaina schluckte krampfhaft. Nun hatte sie ihren Ruf wohl endgültig ruiniert.
Aber wie sie wenig später herausfand, waren der Reverend und seine Frau herzensgute Menschen. Der Geistliche schien sich sogar über die Geschichte zu amüsieren, die Ian erzählte, und Mrs. Dowd verkündete entschlossen: »Ich hole meinen Bruder herunter. Wenn er auch fast blind ist — hören tut er noch sehr gut. Also kann er als Trauzeuge fungieren. Harold, du mußt diese beiden jungen Leute sofort verheiraten.«
»Nun, dann will ich mein Gebetbuch holen.«
Nachdem Harold Dowd und seine Frau das Zimmer verlassen hatten, wandte sich Ian zu Alaina. »Tut mir leid, daß Peter O'Neill Sie so schändlich hintergangen hat. Was zwischen Ihnen beiden vorgefallen ist, weiß ich nicht, und ich würde es bedauern, wenn Sie ihn immer noch liebten. Jedenfalls ist diese Geschichte von heute an vorbei.«
»Da war nichts ...«
»Sollten Sie jemals erwägen, Madam, mich mit einem anderen Mann zu betrügen, werde ich Ihnen den Hintern versohlen, bevor ich Sie erwürge.«
Entrüstet erwiderte sie seinen Blick. Er glaubte, sie hätte mit Peter geschlafen. Trotzdem wollte er sie heiraten, weil er es für richtig hielt. Kein respektabler Mann würde um ihre Hand bitten. Das hatte Peter behauptet. Nun sollte sie Ian McKenzies
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