Der Rebell
schweren Krankheiten ihr Mütter unbeschadet überstanden. Wir müssen abwarten.«
Sobald das Fieber besiegt war, versank Alaina in einen tiefen, friedlichen Schlaf. Dankbar, müde und unrasiert, ging Ian in den Salon und setzte sich vor den Kamin, von heftigen Schuldgefühlen gequält. Obwohl seine Frau nach Teddys Tod von ihrer tiefen Trauer geschwächt gewesen war, hatte er sie ins kalte Wasser gezerrt und dann im nassen Sand geliebt.
Der Gedanke, er könnte sie verlieren und sie würde reglos wie ein schöner Marmorengel vor ihm liegen, war unerträglich gewesen. Inzwischen bedeutete sie ihm viel mehr, als er wahrhaben wollte. Er gelobte sich, seine ehelichen Rechte nicht mehr zu beanspruchen, bis sie genesen und das Kind gebären würde — bis sie den Tod ihres geliebten Vaters einigermaßen überwunden hatte.
»Mach dir keine Vorwürfe, Ian, du bist nicht Schuld an Alainas Krankheit.«
Verwirrt drehte er sich zu seinem Bruder um, der den Salon unbemerkt betreten hatte. »Wie geht es ihr?«
»Gut, den Umständen entsprechend. Glaub mir, deine Gewissensbisse sind unbegründet. Wenn wir wüßten, was diese schrecklichen Fieberanfälle hervorruft, würden wir die Medizin revolutionieren. Manche Ärzte glauben, der Wind würde die Krankheit herantragen und man könnte ihr nur entrinnen, wenn man zu atmen aufhört. Natürlich ist das ein Witz.«
Seufzend schüttelte Ian den Kopf. »Wenn ich die Krankheit auch nicht verursacht habe, ich trug zweifellos zu ihrem Ausbruch bei. Sie war so verletzlich. Erst Teddys Tod, dann ...«
»Dann Lincolns Wahl zum Präsidenten.«
»Ja.«
»Und nun plagst du dich mit der Frage herum, ob du den Dienst quittieren sollst.«
»Ein sehr heikles Problem ... Ich glaube, mittlerweile plädiert Virginia für einen gemäßigten Standpunkt. Aber Florida? Niemals. Als wir St. Augustine verließen, erzählte dein Freund John, der Staatssenator, einige Politiker würden eine Sondersitzung einberufen, um über die Frage der Sezession abzustimmen, falls man Lincoln wählen sollte. Wie du weißt, verabscheue ich die Sklaverei. Und ich glaube nun mal an die Unantastbarkeit der Union.«
»Mit deinen Ansichten hast du Alaina nicht krank gemacht.«
»Aber sie helfen ihr auch nicht, gesund zu werden.«
»Bald wird sie wieder genug Kräfte sammeln, um dich zu bekämpfen.«
Hoffentlich . .. »Würdest du noch eine Weile hierbleiben, Julian?«
»Gewiß. Was hast du vor?«
»Ich muß mich wieder zum Dienst melden. Vorerst ist Alaina zu schwach, um mich zu begleiten. Vielleicht könntet ihr sie in einem Monat nach St. Augustine bringen, du und Jerome. Sie soll in Lillys und Bellas Obhut an Bord eines Schiffs gehen und nach Charleston fahren. Dort werden wir Sydney und Brent besuchen. Wenn ich Urlaub bekomme, erreiche ich Charleston viel schneller als Belamar Isle.«
»Wie du willst. Ich tue mein Bestes.«
»Danke, Julian, du bist wirklich ein guter Bruder.«
»Allerdings«, bestätigte Julian grinsend, »obwohl du mich in unserer glücklichen Kindheit gnadenlos verprügelt hast.«
»Unsinn!«
»Einmal hast du mir sogar einen Eichenast auf den Kopf geschlagen.«
»Nur weil du vorher mit aller Kraft in meine Wade gebissen hast. Damals warst du zwei, und ich war drei Jahre alt. Die Narbe habe ich immer noch.«
»Nun, dann sind wir ja quitt.« Julian wurde wieder ernst. »Weißt du schon, wann du abreist?«
»Morgen früh. Jerome will zu seinen Eltern segeln, und ich möchte mich von den beiden verabschieden, weil ich nicht weiß, wann ich sie Wiedersehen werde.«
»Und von deiner Frau willst du nicht Abschied nehmen? Morgen wird sie bei klarem Verstand sein.«
»Natürlich werde ich ihr auf Wiedersehen sagen.«
Alaina öffnete langsam die Augen und lauschte dem Gesang der Vögel. Zu ihrer Verblüffung waren die Lider nicht mehr bleischwer. Eine Zeitlang blinzelte sie ins helle Sonnenlicht. Dann wandte sie sich zur Seite und sah einen dunklen Kopf über einer St. Augustine-Zeitung.
»Ian?«
»Alaina!« Sofort legte er die Zeitung beiseite und stand auf.
Aber es war nicht Ian. »Julian?«
Er setzte sich aufs Bett, berührte ihre Stirn und ihre Hände. Sichtlich zufrieden, lächelte er sie an. »Nun hast du das Fieber endgültig überstanden.«
»Was ist geschehen?«
»Du hast an einer schweren Grippe gelitten. Keine Ahnung, wieso du dich angesteckt hast ... Jedenfalls wurde die Krankheit durch deine Trauer verschlimmert. Und du hattest tagelang fast nichts gegessen. Dazu kam noch
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