Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
mit einer meiner Zeitschriften in der Hand. Als sie mich sieht, fährt sie zusammen und läßt die Zeitschrift fallen. Ihr Mund öffnet sich. »Wer sind Sie?« kreischt sie fast.
    Sie scheint keine Kriminelle zu sein. »Ich wohne hier. Wer zum Teufel sind Sie?«
    »Ach du lieber Gott«, sagt sie, vor Aufregung keuchend, und preßt eine Hand auf ihr Herz.
    »Was suchen Sie hier?« frage ich noch einmal, jetzt wirklich zornig.
    »Ich bin Delberts Frau.«
    »Wer zum Teufel ist Delbert? Und wie sind Sie hier hereingekommen?«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin Rudy. Ich wohne hier. Das ist eine Privatwohnung.«
    Daraufhin läßt sie den Blick schnell durch das Zimmer wandern, als wollte sie sagen: »Wirklich eine tolle Wohnung«.
    »Birdie hat mir den Schlüssel gegeben und gesagt, ich könnte mich umschauen.«
    »Das hat sie bestimmt nicht!«
    »Doch, das hat sie!« Sie zieht einen Schlüssel aus ihren engen Shorts und schwenkt ihn vor meiner Nase. Ich schließe die Augen und denke ernsthaft daran, Miss Birdie zu erwürgen. »Ich heiße Vera, aus Florida. Wir sind für ein paar Tage bei Birdie zu Besuch.«
    Jetzt erinnere ich mich. Delbert ist Miss Birdies jüngerer Sohn, derjenige, den sie seit drei Jahren nicht gesehen hat und der nie anruft und nie schreibt. Ich kann mich nicht erinnern, ob Vera diejenige ist, die Miss Birdie ein Flittchen genannt hat, aber es wäre durchaus passend. Sie ist um die Fünfzig mit der ledrig braunen Haut einer passionierten Sonnenanbeterin. Orangefarbene Lippen, die in der Mitte eines schmalen Kupfergesichts leuchten; verschrumpelte Arme; enge Shorts über ebenso verschrumpelten, aber grandios gebräunten Stöckerbeinen. Gräßliche gelbe Sandalen.
    »Sie haben kein Recht, hierzusein«, sage ich und versuche, mich zu entspannen.
    »Kein Grund zur Aufregung.« Sie geht an mir vorbei, und ich bekomme eine Nase voll von billigem Parfüm, das nach Kokosnußöl riecht. »Birdie möchte Sie sehen«, sagt sie, als sie meine Wohnung verläßt. Ich höre zu, wie ihre Sandalen die Treppe hinunterschlappen.
    Miss Birdie sitzt mit verschränkten Armen auf dem Sofa, sieht sich eine dieser idiotischen Comedy-Serien an und ignoriert den Rest der Welt. Vera durchstöbert den Kühlschrank. Am Küchentisch sitzt eine weitere braune Kreatur, ein großer Mann mit dauergewelltem Haar, so schlecht gefärbt, daß es grau ist, und Elvis-Koteletten. Goldgerahmte Brille. Goldene Armbänder an beiden Handgelenken. Er sieht aus wie ein Zuhälter.
    »Sie müssen der Anwalt sein«, sagt er, als ich hinter mir die Tür zumache. Auf dem Tisch vor ihm liegen einige Papiere, mit denen er sich beschäftigt hat.
    »Ich bin Rudy Baylor«, sage ich, am anderen Ende des Tisches stehend.
    »Ich bin Delbert Birdsong, Birdies Jüngster.« Er ist Ende Fünfzig und versucht verzweifelt, auszusehen wie Vierzig.
    »Nett, Sie kennenzulernen.«
    »Ja, ja, ganz meinerseits.« Er deutet auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich.«
    »Warum?« frage ich. Diese Leute sind schon seit Stunden hier. Der Unmut hängt wie eine Rauchschwade über der Küche und dem angrenzenden Wohnzimmer. Ich kann Miss Birdies Hinterkopf sehen. Ich weiß nicht, ob sie uns zuhört oder dem Fernseher. Der Ton ist leise gestellt.
    »Ich versuche nur, nett zu sein«, sagt Delbert, als gehörte ihm das Haus.
    Vera kann im Kühlschrank nichts finden, also beschließt sie, sich zu uns zu gesellen. »Er hat mich angeschrien«, wimmert sie Delbert an. »Hat gesagt, ich soll aus seiner Wohnung verschwinden. Er war richtig grob.«
    »Stimmt das?« fragt Delbert.
    »Natürlich stimmt das. Es ist meine Wohnung, und ich rate Ihnen beiden, sie nicht zu betreten. Sie ist privat.«
    Er zieht mit einem Ruck die Schultern zurück. Dieser Mann hat garantiert schon so manche Kneipenschlägerei hinter sich. »Sie gehört meiner Mutter.«
    »Und sie ist zufällig meine Hauswirtin. Ich zahle jeden Monat meine Miete.«
    »Wieviel?«
    »Das geht Sie nichts an. Dieses Haus ist nicht auf Ihren Namen eingetragen.«
    »Ich würde sagen, sie ist vier -, vielleicht fünfhundert Dollar im Monat wert.«
    »Gut. Möchten Sie sonst noch irgend etwas loswerden?«
    »Ja. Sie sind ein ganz schöner Klugscheißer.«
    »Wunderbar. Sonst noch was? Ihre Frau hat gesagt, Miss Birdie wollte mich sprechen.« Das sage ich so laut, daß Miss Birdie es hören kann, aber sie rührt sich nicht.
    Vera nimmt sich einen Stuhl und rückt ihn nahe an den von Delbert heran. Sie werfen sich vielsagende Blicke zu. Er zupft an

Weitere Kostenlose Bücher