Der Regenmacher
Befragung ist sehr effektiv. Seine geschmeidige Stimme bittet um Vertrauen. Sein angegrautes Haar suggeriert Weisheit und Erfahrung.
Er stellt noch ein paar weitere Fragen, ohne eine einzige Reaktion. Er legt Samen aus. Dann kommt das dicke Ende.
»Also, was ich Sie jetzt fragen möchte, ist die allerwichtigste Frage des Tages«, sagt er ernst. »Bitte hören Sie mir aufmerksam zu. Sie ist von ausschlaggebender Bedeutung.« Eine lange, dramatische Pause. »Ist einer von Ihnen auf diesen Fall hin angesprochen worden?«
Im Gerichtssaal herrscht absolute Stille, während seine Worte in der Luft hängen und sich dann langsam niedersenken. Es ist mehr eine Anschuldigung als eine Frage. Ich werfe einen Blick zu ihrem Tisch. Hill und Plunk funkeln mich an. Morehouse und Grone beobachten die Geschworenen.
Drummond ist ein paar Sekunden lang starr, bereit, sich auf die erste Person zu stürzen, die tapfer genug ist, eine Hand zu heben und zu sagen: »Ja! Der Anwalt der Anklage hat mich gestern abend aufgesucht!« Drummond weiß, daß es kommen muß, er weiß es einfach. Er wird die Wahrheit herausholen, mich und meinen korrupten Hilfsanwaltspartner bloßstellen, beantragen, daß ich gemaßregelt, bestraft und schließlich aus der Anwaltskammer ausgeschlossen werde. Der Fall wird auf Jahre hinaus vertagt werden. Es muß so kommen!
Aber seine Schultern sacken langsam herunter. Die Luft strömt lautlos aus seinen Lungen. Ein Haufen Lügenbolde!
»Dies ist überaus wichtig«, sagt er. »Wir müssen es wissen.« Seine Stimme steckt voller Mißtrauen.
Nichts. Nirgendwo eine Bewegung. Aber sie mustern ihn eingehend, und er flößt ihnen eine Menge Unbehagen ein. Mach so weiter, großer Junge.
»Lassen Sie es mich anders formulieren«, sagt er, sehr kalt. »Hat sich irgend jemand von Ihnen gestern mit Mr. Baylor hier oder mit Mr. Deck Shifflet da drüben unterhalten?«
Ich springe auf. »Einspruch, Euer Ehren! Das ist absurd!«
Kipler ist nahe daran, über den Richtertisch zu springen.
»Stattgegeben! Was soll das, Mr. Drummond?« brüllt Kipler direkt in sein Mikrofon, und die Wände wackeln.
Drummond wendet sich zum Richtertisch. »Euer Ehren, wir haben Grund zu der Annahme, daß mit diesen Leuten geredet worden ist.«
»Ja, und er beschuldigt mich«, sage ich wütend.
»Ich verstehe nicht, wie Sie darauf kommen, Mr. Drummond«, sagt Kipler.
»Vielleicht sollten wir das in Ihrem Zimmer erörtern«, sagt Drummond und funkelt mich an.
»Eine kurze Pause«, sagt Kipler zu seinem Gerichtsdiener.
Drummond und ich sitzen Seinen Ehren an seinem Schreibtisch gegenüber. Die anderen vier Trent & Brents stehen hinter uns. Kipler ist ausgesprochen bestürzt. »Ich hoffe, Sie haben gute Gründe«, sagt er zu Drummond.
»Diese Leute sind manipuliert worden«, sagt Drummond.
»Woher wissen Sie das?«
»Das kann ich nicht sagen. Aber ich weiß es.«
»Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Leo. Ich will Beweise.«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, Euer Ehren, nicht ohne vertrauliche Informationen preiszugeben.«
»Unsinn! Reden Sie.«
»Es ist wahr, Euer Ehren.«
»Beschuldigen Sie mich?« frage ich.
»Ja.«
»Sie haben den Verstand verloren.«
»Ihr Verhalten ist ziemlich bizarr, Leo«, sagt Seine Ehren.
»Ich glaube, ich kann es beweisen«, sagt er selbstgefällig.
»Wie?«
»Lassen Sie mich mit der Befragung der Leute weitermachen. Die Wahrheit wird ans licht kommen.«
»Bis jetzt hat sich niemand geäußert.«
»Ich habe ja auch kaum angefangen.«
Kipler denkt einen Moment darüber nach. Wenn dieser Prozeß vorüber ist, werde ich ihm die Wahrheit sagen.
»Ich würde gern bestimmte Geschworene direkt ansprechen«, sagt Drummond. Das ist eigentlich nicht üblich, aber es liegt im Ermessen des Richters.
»Was halten Sie davon, Rudy?«
»Keine Einwände.« In Wirklichkeit kann ich es kaum abwarten, daß Drummond damit anfängt, sich die Leute vorzuknöpfen, die wir angeblich beeinflußt haben. »Ich habe nichts zu verbergen.« Zwei der Typen hinter mir husten beziehungsvoll.
»Also gut. Es ist Ihr Grab, das Sie da graben, Leo. Aber halten Sie sich an die Regeln.«
»Was haben Sie da drin gemacht?« fragt Dot, als ich an den Tisch zurückkehre.
»Nur Anwaltskram«, füstere ich. Drummond steht vor den Geschworenen, die ihn extrem mißtrauisch ansehen.
»Also, ich sagte es bereits. Es ist überaus wichtig, daß Sie es uns sagen, falls jemand Sie aufgesucht und mit Ihnen über diesen Fall gesprochen hat. Bitte
Weitere Kostenlose Bücher