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Der Regler

Der Regler

Titel: Der Regler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Landorff
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austrug, bevor er andere mit etwas belästigte. Das gab ihm eine ruhige, abgeklärte Aura. Die Gerichtsmedizinerin arbeitete gern mit dem Kommissar, auch mit seinem Assistenten, der war auch so ein Ruhiger. Es gab in der Polizei viele Hektiker, und die wurden alle immer noch hektischer mit den Jahren, bei dem hektischen Job, bei den hektischen Zeiten. Grauenvoll.
    In dem Telefongespräch eben hatte sie Maler auch das Endergebnis der Obduktion des Bankbeamten mitgeteilt. Der Mann war durch eine gezielte Injektion von reinem Heroin, versetzt mit einer Portion Schlangengift, getötet worden. Und diesmal gab es Spuren eines Kampfes, der Bankbeamte hatte sich deutlich gewehrt, war dann gefesselt worden. Der Mann hatte zusehen dürfen, sagte die Gerichtsmedizinerin, wie ihm die tödliche Spritze gesetzt wurde. Dieser Mord war eine Demonstration gewesen.

Teil 3 Am See

1
    Nur ein einziges Mal waren wir allein, damals. Ball haben wir gespielt. Auf der Wiese mit der Birke. Aber du weißt es nicht mehr. Du hast es vergessen. Es war ein großer gelber Plastikball mit roten Sternen darauf. Nie mehr wieder musste mein Vater plötzlich weg, wenn du da warst. Nie mehr wieder hatte ich dich nur für mich. Aber an diesem Tag war es so.
     
    Sie stand hinter einem Mauervorsprung, etwa hundert Meter oberhalb des kleinen Hafens in Maccagno und beobachtete den Fähranleger. Maccagno war kein großer Ort, aber er hatte erstaunlich viele Kirchen. Eine davon war direkt am See auf einen Felsen gebaut wie eine Burg. Die Hauptstraße führte inzwischen nicht mehr um sie herum, sondern in einem Tunnel unter ihr hindurch. Man konnte auf einem gepflasterten Weg hinaufgelangen und oben auf einer Art Terrasse vor der Kirche herabblicken. Eine alte, relativ hohe Mauer umgab die Terrasse.
    Sie sah die Fähre ihre gerade Spur ziehen durch das bleigraue Wasser. Die alte
Alpino
. Und sie sah, wie Tretjak unten über die Holzbohlen des Stegs nach vorn ging, sich neben das Geländer stellte. Die Hände hatte er in den Taschen seines Mantels vergraben. Was sie von hier aus auch sehen konnte, war die kleine Piazza Roma mit den Palmen, den paar Parkplätzen, der hübschen Bar und dem Hotel
Torre Imperial
. Es war kühl geworden in den vergangenen Tagen. Das ging hier manchmal blitzschnell. Der Ort bereitete sich auf seinen Winterschlaf vor. Der Platz war leer, sowohl in der Bar als auch im Hotel brannte schon Licht.
    Im Wohnzimmer hatte sie damals gestanden, das wusste sie noch genau, mitten im Wohnzimmer, und ihn hatte sie auf der Terrasse sitzen sehen, wie er die Zeitung las. Eine ganze Weile hatte sie so dagestanden, mucksmäuschenstill, in diesem albernen weißblaukarierten Kleidchen, viel zu kindisch für ihr Alter, sie war ja immerhin schon elf, fast elf, und ihr Herz hatte so fest geschlagen, dass man es durch den Stoff sehen konnte. Aber dann hatte sie sich getraut. Sie erinnerte sich genau an den Anblick ihrer Füße in den Sandalen auf den Steinplatten der Terrasse, wie sie einen Schritt nach dem anderen machten. Bloß jetzt nicht stolpern … Und dann hatte sie sich vor ihm aufgebaut, und das Herzklopfen hatte ihr fast die Luft genommen. »Wollen Sie vielleicht ein bisschen Ball spielen?«
     
    Du hast so gut gerochen. Und du hast die Zeitung weggelegt und mich angesehen, und du hast gelächelt und meinen Namen gesagt. Und dann hast du gesagt: »Gut. Machen wir.« Und wir haben gespielt, auf der Wiese mit der Birke, den Ball hin und her geworfen. Und die Sonne war genau hinter dir, manchmal konnte ich dich gar nicht richtig sehen. Und ich hab gedacht, das wird nie aufhören, nie wird das aufhören. Und irgendwie hat das kleine Mädchen ja recht behalten, oder nicht? Warum hast du mich nicht erkannt? Die Sonne war doch damals hinter dir, nicht hinter mir. Du konntest mich doch sehen. Warum hast du mich nicht erkannt?
     
    Sie sah, wie die Fähre anlegte. Ein Mann mit einem Fahrrad stieg aus, ein kleiner Junge war bei ihm. Und eine Frau stieg aus. Na also, dachte sie und zog sich unwillkürlich ein Stück weiter hinter die Mauer zurück. Sie beobachtete, wie die Frau auf Tretjak zuging, ihre Tasche abstellte und ein paar Worte mit ihm wechselte. Dann nahm er die Tasche, und die beiden gingen nebeneinander die Promenade entlang Richtung Piazza Roma. Wie zwei ganz normale Leute wirkten sie, dachte sie dort oben auf ihrem Posten. Mann holt Frau am Schiff ab und bringt sie ins Hotel. Niemand würde etwas anderes vermuten. Auch jetzt gleich beim

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