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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sein würde. Wie am Tage zuvor wartete er darauf, daß sie das Geschirr gespült und alles aufgeräumt hatte.
    Er ging hinter ihr die Treppe hinauf und blieb im ersten Stock stehen.
    »Alice.«
    »Ja?«
    »Warum schläfst du nicht die Nacht hier?«
    »Nein. Nicht in Madames Schlafzimmer.«
    »Es ist auch mein Schlafzimmer.«
    »Das ist nicht das gleiche.«
    »Wie du willst. Ich komme gleich.«
    Er duschte, zog seinen Pyjama an und streifte seinen Morgenrock über. Er war immer noch beklommen, so als ob er nicht ganz daran glauben könne, daß das, was er erlebte, wirklich sei. Er holte oben Wasser laufen. Sie wusch sich gewiß in dem Waschzuber. So hatte seine Mutter ihn gewaschen, als er noch ein Kind war.
    Er wollte nicht sofort hinaufgehen und drehte sich noch eine Zigarette. Er zwang sich, nicht an die Zukunft zu denken, die ihm wie mit Brettern vernagelt erschien.
    Warum sollte er nicht mit Alice auf und davon gehen? Er würde Jeanne so viel Geld geben, daß sie davon leben konnte. Er würde die Äcker verkaufen, würde ihr das Haus und die Muschelbänke lassen und sogar den Taubstummen.
    Er schämte sich, Doudou so im Stich zu lassen, aber es war fast unmöglich, ihn zu entwurzeln.
    Wohin würde er gehen? Er hatte nicht die geringste Vorstellung. Jedenfalls nicht nach Paris, wo er immer fürchten müßte, daß Alice ihm entglitt.
    In den Süden vielleicht. Er würde ein Haus und etwas Land abseits von der Küste kaufen.
    Aber er wußte, daß daraus nie etwas werden würde. Es schien zu einfach. Als könne er von heute auf morgen ein anderer Mensch werden! Er war von hier und würde wahrscheinlich gar nicht woanders leben können.
    Er drückte seine Zigarette aus und ging hinauf. Sie stand im Hemd vor einem kleinen Spiegel in einem Bambusrahmen und fuhr sich mit dem Kamm durchs Haar. Er betrachtete sie, vor Ungeduld brennend, sie an sich drücken zu können. Sie sah ihn im Spiegel, und er glaubte wieder, wie schon einmal, sie versuche ihm zuzulächeln.
    Als sie den Kamm hinlegte, schloß er sie in seine Arme, hob sie hoch und setzte sie aufs Bett.
    »Zieh dein Hemd aus.«
    »Nicht bei Licht.«
    »Ich mache es aus. Zieh das Hemd aus und leg dich hin.«
    Er drehte den Schalter, der neben der Tür war. Der Mond, der nicht zu sehen war, warf trotzdem einen bleichen Schein in die Mansarde.
    Er hatte seinen Pyjama ausgezogen und war nun ebenfalls nackt. Er legte sich neben sie.
    »Endlich«, seufzte er.
    Den ganzen Tag hatte er auf diesen Augenblick gewartet.
    »Hast du keine Angst mehr?«
    »Nein. Ein ganz klein wenig nur.«
    »Ich werde dir nicht wieder weh tun. Du darfst dich nur nicht versteifen.«
    Er streichelte langsam und liebevoll ihren ganzen Körper. Sie war sehr mager, aber das war ihm gleich. Seine Augen gewöhnten sich an das Halbdunkel, und er sah ihr Gesicht, dessen Ausdruck er zu erraten versuchte, nur halb verschwommen.
    »Mache ich dich nicht unglücklich?«
    »Nein.«
    »Glücklich?«
    »Ich weiß nicht.«
    Jedenfalls wollte sie nett sein, denn ohne daß er es von ihr verlangte, streichelte sie ihn schüchtern.
    »Weißt du, ich verlange nicht, daß du mich liebst, wie ich dich liebe. Ich möchte nur, daß du mich ein wenig gern hast. Verstehst du? Und sei dir von Anfang an bewußt, daß ich dein Freund bin.«
    Leise sagte sie: »Ja.«
    »Glaubst du, daß du das kannst?«
    Und wieder die gleichen Worte: »Ich weiß nicht.«
    Diesmal zitterte sie unter seiner Liebkosung.
    »Entspann dich.«
    Denn er spürte, daß sie sich von neuem verkrampfte.
    »Ich möchte immer bei dir bleiben, den ganzen Tag und die ganze Nacht.«
    Sie hatte die Augen offen, wie er trotz des Halbdunkels merkte, und starrte zur Decke.
    Lange versuchte er, sie gefügig zu machen. Ganz allmählich gab sie nach.
    Sie hatte nur einen kurzen Augenblick Angst, als er in sie eindrang. Aber er tat es so sanft, daß sie sich von neuem entspannte. Er blieb in ihr, ohne sich zu rühren. Mit der Hand strich er über ihr Haar.
    »Ich liebe dich, Alice.«
    Er hatte das noch keiner Frau gesagt.
    »Ich möchte so sehr, daß du glücklich bist.«
    Sie zitterte wieder. Es war, als ob ihr Körper langsam anfinge zu erwachen. Er zwang sich zu warten, drang noch ein wenig tiefer in sie ein, und als er das Gefühl hatte, daß sie bereit sei, ließ er alle Hemmungen fahren.
    Und da drückte sie fast leidenschaftlich seinen Arm. Er wußte, was geschah. Er wollte sich um jeden Preis beherrschen, bis es bei ihr soweit war, und schließlich stieß sie

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