Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
abgenutzt ist. Es beruhigt mich, viel Geld in der Tasche zu haben und zu wissen, daß welches im Hause ist. Das ist anders, als wenn man es auf einer Bank hat.«
    Schon mit fünfzehn Jahren lief er den Mädchen nach. Aber er sprach nicht darüber. Nicht, um es ihr zu verheimlichen, sondern weil es ihm gar nicht einfiel. Er hatte mit Frauen geschlafen, an die er sich überhaupt nicht mehr erinnerte.
    Er nahm das nicht wichtig. Er kostete sein Vergnügen aus, und dann war es vergessen. Vielleicht hatte er sich mit so vielen eingelassen, um Selbstvertrauen zu bekommen.
    »Ich legte fast alles beiseite, was ich verdiente, und man sah mich nie im Bistro.
    Ich war einundzwanzig, als Hector Muflin, der Pächter von ›Quatre Vents‹ bei einem Sturz vom Pferd zu Tode gekommen ist. Seine Frau und seine drei Kinder konnten den Hof nicht weiterführen.
    Da habe ich den Anwalt in La Rochelle aufgesucht.
    ›Man hat mir das Allerbeste über Sie berichtet, und ich sehe, Sie sind ein kräftiger Bursche. Sind Sie verheiratet?‹
    ›Noch nicht.‹
    ›Haben Sie vor, bald zu heiraten?‹
    ›Wenn ich die richtige Frau gefunden habe.‹
    Er hat gelacht, hat mich gebeten, in zwei Tagen wiederzukommen und mir seine Antwort zu holen. Ich habe ihm gesagt, ich würde Hectors Frau und die Kinder bis zu meiner Verheiratung auf dem Hof behalten.
    Er war damit einverstanden, und ich habe es getan. Die Frau war brav, aber häßlich. Obendrein schielte sie, doch sie arbeitete wie ein Pferd.
    Wir verstanden uns gut. Man hatte damals noch nicht all die Maschinen, über die man heute verfügt, und die Arbeit war viel schwerer. Man mußte Tagelöhner einstellen und um halb fünf aufstehen, selbst im Winter, um die Kühe mit der Hand zu melken, ehe die Molkerei die Kannen abholte.
    ›Werden Sie noch lange Junggeselle bleiben?‹
    ›Ich weiß es nicht. Das kommt darauf an.‹
    Dann habe ich die Lehrerin in Nieul-sur-Mer kennengelernt, die ich bis dahin immer nur von weitem gesehen hatte. Es war auf einem Wohltätigkeitsbasar. Sie war schwarz gekleidet und wirkte sehr fein. Mehr wie jemand aus der Stadt als jemand vom Land.
    Sie war nicht besonders hübsch. Sie war auch nicht schön, aber sie war angenehm anzusehen und flößte Vertrauen ein.
    Wir haben getanzt, und da es sehr heiß war, sind wir dann draußen spazierengegangen.
    ›Sind Sie aus La Rochelle?‹
    ›Nein. Aus Bressuire in den Deux-Sevres.‹
    ›Das kenne ich. Würden Sie gern auf dem Land bleiben?‹
    ›Als Lehrerin?‹
    ›Nein, auf einem Bauernhof.‹
    Er lächelte im Halbdunkel.
    »Ich hatte meinen Entschluß schon gefällt. Ich weiß nicht, warum. Ich habe nicht gleich mit ihr darüber gesprochen, sondern ihr erst nach einem Monat einen Heiratsantrag gemacht. Sie war drei Jahre älter als ich, aber das war mir gleich.« .
    »Liebten Sie sie?« fragte Alice leise.
    »Nein. Damals wußte ich das noch nicht. Aber jetzt weiß ich es. Ich war fasziniert, weil sie gebildet war und sich wie eine Städterin benahm.
    Neben ihr kam ich mir wie ein Bauernjunge vor, und ich war ihr dankbar, daß sie nach einer oder zwei Wochen mir sagte, sie nähme den Antrag an.
    Ich mußte nach Bressuire fahren, um ihre Familie kennenzulernen. Dort hat auch die Hochzeit stattgefunden.
    Wegen des Hofs mußte ich am gleichen Tag zurück. Ich hatte vor, Hectors Witwe noch eine Weile zu behalten, damit meine Frau sich einleben konnte, aber wider mein Erwarten hat sie sich sehr schnell eingelebt.
    Man hätte glauben können, sie habe von jeher Kühe gemolken, und sie ging mit einer Heugabel so geschickt um wie ein Mann und schob tapfer Karren voller Mist.«
    Er war stolz auf sie, so wie er auf sein Vieh, seine Felder, auf alles, was ihm gehörte, stolz war.
    Er konnte sich an jene Zeit noch sehr genau erinnern, und es war ihm, als wäre sie noch gar nicht lange vergangen. Er konnte kaum glauben, daß inzwischen so viele Jahre verstrichen waren.
    Er war ein reicher Mann geworden. Bald würden die Jungen ihn als Greis betrachten.
    Dabei hatte er gerade erst angefangen zu leben.
    »Mein Bruder hat versucht, Handelsvertreter zu werden. Er reiste für eine Firma, die landwirtschaftliche Geräte herstellte, aber in Wirklichkeit verbrachte er mehr Zeit mit seinen angeblichen Kunden in Bistros als mit dem Besuch der Höfe.
    Er wurde dann Angestellter in La Rochelle, hielt es aber nur zwei Monate in dem Büro aus, wo er, wie er sagte, erstickte.
    Ich weiß nicht, in wie vielen Berufen er sich versucht hat. Ich habe

Weitere Kostenlose Bücher