Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
der jemand etwas leicht Unhöfliches gesagt hatte, und würde so tun, als hätte sie es nicht gehört.
    Verily hatte keine Ahnung, was bei der Sache mit dem Salamander herauskommen würde, aber da Alvin ihm keine anderen Möglichkeiten zugestand, Vilate oder Amy in Mißkredit zu bringen, mußte er es damit versuchen.
    Alvin hatte Vilate während ihrer Aussage beobachtet – genau beobachtet, nicht nur mit den Augen, sondern auch mit seiner inneren Sicht, mit der er sah, wie die materielle Welt zusammenarbeitete. Schon ganz am Anfang stellte er fest, daß Vilate jedesmal, bevor sie antwortete, den Kopf ein wenig neigte. Als lausche sie. Also schickte er seine Begabung aus und ließ sie in der Luft hängen, tastete nach einem leichten Zittern von Geräuschen. Natürlich – er nahm solch ein Beben wahr, aber es wies ein Muster auf, das Alvin noch nie zuvor gesehen hatte. Normalerweise breitete ein Ton sich von seiner Quelle aus wie Wellen von einem Stein, den man in einen Teich geworfen hatte – in alle Richtungen. Sie wurden immer wieder zurückgeworfen, aber mit zunehmender Entfernung auch immer schwächer. Dieses Geräusch setzte sich jedoch fort. Wie war das möglich?
    Eine Zeitlang schwebte er in Gefahr, sich dermaßen in diese wissenschaftliche Frage zu vertiefen, daß er fast vergaß, daß ihm der Prozeß gemacht wurde und dies die gefährlichste, vielleicht aber auch schwächste Zeugin gegen ihn war. Zum Glück erfaßte er sehr schnell, was hier geschah. Das Geräusch kam von zwei Quellen, die sich dicht nebeneinander befanden und parallel zueinander bewegten. Wenn die Tonwellen sich kreuzten, beeinträchtigten sie einander und verwandelten das Geräusch in eine bloße Turbulenz in der Luft. Wenn Alvin genau lauschte, konnte er das schwache Zischen dieses chaotischen Geräusches hören. Doch in der Richtung, in der die Tonwellen genau parallel verliefen, beeinträchtigten sie sich nicht nur gegenseitig, sondern schienen auch die Lautstärke zu verstärken. Das Ergebnis war, daß jemand, der genau in Vilates Richtung saß, sogar das leiseste Flüstern hören konnte, alle anderen im Gerichtssaal jedoch nicht das geringste Geräusch vernehmen konnten.
    Alvin kam das überaus seltsam vor. Er hatte nicht gewußt, daß der Unschöpfer tatsächlich Töne benutzte, um mit seinen Lakaien zu sprechen. Er hatte angenommen, der Unschöpfer mache sich direkt in ihren Köpfen verständlich. Statt dessen sprach er von zwei Geräuschquellen aus, die sich in unmittelbarer Nähe befanden. Dann mußte Alvin lächeln. Das alte Sprichwort traf tatsächlich zu: Der Lügner sprach mit doppelter Zunge.
    Alvin schaute mit seinem Talent in Vilates Handtasche und fand schnell die Quelle des Geräusches. Der Salamander hockte oben auf ihren Besitztümern, und das Geräusch kam aus seinem Mund – obwohl Salamander körperlich gar nicht imstande waren, menschliche Geräusche zu erzeugen. Wenn er doch nur hören könnte, was der Salamander sagte…
    Tja, wenn er sich nicht völlig irrte, ließ sich das hinkriegen. Aber zuerst mußte er den Salamander aus der Tasche bekommen, damit alle Anwesenden im Gerichtssaal sahen, woher die Worte kamen. In diesem Augenblick konzentrierte er sich wieder auf den Prozeß – und stellte zu seiner Beunruhigung fest, daß Verily sich ihm widersetzen und Vilate die wunderschöne Verkleidung rauben wollte. Er streckte die Hand aus, zerrte an Verilys Frackschoß und flüsterte einen so milden Tadel, wie er ihn nur hinbekam. Dann trug er ihm auf, den Salamander aus der Tasche zu holen.
    Nachdem der Salamander nun im dunklen Ärmel des Gerichtsdieners gefangen und in Panik geraten war, brauchte Alvin einen Moment, bis er mit seiner Begabung in das Geschöpf eingedrungen war und anfangen konnte, es zu beruhigen – den Herzschlag zu verlangsamen, ihm Frieden einzureden. Natürlich nahm er keinen Widerstand des Unschöpfers wahr. Das überraschte Alvin nicht. Der Unschöpfer wurde stets zurückgetrieben, wenn jemand schöpferisch tätig war. Aber er spürte den Unschöpfer, wie er schimmernd im Hintergrund lauerte, in den Ecken des Gerichtssaals, und darauf wartete, in den Salamander zurückkehren zu können, damit er wieder mit Vilate sprechen konnte.
    Es war ein gutes Zeichen, daß der Unschöpfer die Hilfe eines anderen Wesens brauchte, um mit Vilate sprechen zu können. Das ließ vermuten, daß sie nicht völlig von der Gier nach Macht oder dem Unschöpfen verzehrt wurde, so daß der Unschöpfer nicht direkt

Weitere Kostenlose Bücher