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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Seite des Geländers tretet und, wenn es nach meiner bescheidenen Meinung geht, auch auf die andere Seite der Tür des Gerichtssaals.«
    Webster erhob sich zu seiner vollen Größe, schob die Tasche unter seinen Arm und schritt ohne ein weiteres Wort den Gang entlang und zum Gerichtssaal hinaus.
    Dabei kam er an einer Frau mittleren Alters mit graubraunem Haar vorbei, die zielstrebig zum Richterstuhl marschierte. Nein, zum Zeugenstand. Sie trat hinein, legte den Arm um Vilate Frankers Schulter und half der weinenden Frau auf die Füße. »Komm schon, Vilate, du warst sehr tapfer, das hast du gut gemacht, wir sind richtig stolz auf dich.«
    »Goody Trader«, murmelte Vilate, »ich schäme mich so.«
    »Unsinn«, sagte Goody Trader. »Wir alle wollen schön sein, und um die Wahrheit zu sagen, ich denke, du bist es noch immer. Nur – reifer, das ist alles.«
    Die Zuschauer sahen schweigend zu, wie Goody Trader ihre einstmalige Rivalin aus dem Gerichtssaal führte.
    »Euer Ehren«, sagte Verily Cooper, »ich glaube, nun müßte jedem klar sein, daß es an der Zeit ist, zum eigentlichen Thema dieses Prozesses zurückzukehren. Wir wurden von irrelevanten Zeugen abgelenkt, doch Sachverhalt ist nun mal, daß alles auf Makepeace Smith und Hank Dowser auf der einen und Alvin Smith auf der anderen Seite hinausläuft. Ihr Wort gegen das seine. Wenn die Verteidigung keine weiteren Zeugen mehr aufrufen will, würde ich gern meine Verteidigung beginnen, indem ich Alvin zu Wort kommen lasse, damit die Geschworenen endlich eine Entscheidung fällen können.«
    »Gut gesagt, Mr. Cooper«, sagte Marty Laws. »Das ist der eigentliche Punkt, und ich bedaure, mich je von ihm entfernt zu haben. Die Anklage möchte zur Zeit keine weiteren Zeugen mehr aufrufen, und ich glaube, wir alle würden nun gern den Angeklagten hören. Es freut mich, daß er für sich sprechen will, obwohl die Verfassung der Vereinigten Staaten ihm ermöglicht, die Aussage zu verweigern, ohne daß ihm Nachteile daraus entstehen.«
    »Eine gute Einschätzung«, sagte der Richter. »Mr. Smith, bitte erhebt Euch und legt den Eid ab.«
    Alvin bückte sich, hob den Sack mit dem Pflug darin auf und warf ihn so leicht über seine Schulter, als wäre er ein Laib Brot oder ein Beutel Federn. Er ging zum Gerichtsdiener, legte eine Hand auf die Bibel und hob die andere mitsamt dem Sack. »Hiermit schwöre ich, die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe«, sagte er.
    »Alvin«, sagte Verily, »bitte erzählt uns, wie der Pflug entstand.«
    Alvin nickte. »Ich nahm das Eisen, das mein Meister mir gab – das ist Makepeace, er war damals mein Meister – und schmolz es, bis es die richtige Hitze hatte. Die Form des Pfluges hatte ich bereits gemacht, und so goß ich das Eisen hinein und ließ es abkühlen, bis ich den Guß abschlagen konnte, und dann formte und hämmerte und schliff ich sämtliche Unvollkommenheiten heraus, bis es schließlich die Form eines Pflugs hatte, die so perfekt war, wie ich es nur hinbekam.«
    »Habt Ihr dabei Euer Talent zum Schöpfen benutzt?« fragte Verily.
    »Nein, Sir«, sagte Alvin. »Das wäre nicht fair gewesen. Ich wollte mir das Recht verdienen, als Schmiedegeselle auf Wanderschaft zu gehen. Ich habe den Pflug mit meiner Begabung untersucht, Veränderungen aber nur mit meinen Werkzeugen und Händen vorgenommen.«
    Viele der Zuschauer nickten. Sie wußten etwas über diese Sache, über den Wunsch, etwas mit eigenen Händen zu schaffen, ohne Einsatz der außergewöhnlichen Talente, die heutzutage in dieser Stadt so üblich waren.
    »Und was habt Ihr bekommen, als Ihr fertig wart?«
    »Einen Pflug«, sagte Alvin. »Reines Eisen, gut geformt und vergütet. Ein gutes Gesellenstück.«
    »Wessen Eigentum war dieser Pflug?« fragte Verily. »Ich frage Euch nicht als Rechtsexperte, sondern als den Lehrling, der Ihr damals wart, als Ihr ihn hergestellt habt. War es Euer Pflug?«
    »Es war meiner, weil ich ihn gemacht habe, und seiner, weil es sein Eisen war. Es ist Brauch, daß der Geselle sein Gesellenstück behalten darf, aber ich wußte, es war Makepeaces Recht, ihn zu behalten, wenn er wollte.«
    »Und dann habt Ihr Euch anscheinend entschlossen, das Eisen zu verändern.«
    Alvin nickte.
    »Könnt Ihr dem Gericht erklären, welche Überlegungen Euch dabei durch den Kopf gingen?«
    »Ich weiß nicht, ob es überhaupt richtige ›Überlegungen‹ waren. Sie waren jedenfalls nicht vernünftig, wie Miss

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