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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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»Weißt du, wohin das führt?«
    »Zur Freiheit für die Sklaven, hoffe ich.«
    »Vielleicht«, sagte sie. »Aber sicher ist nur eins: Es führt zum Krieg.«
    Peggy schaute grimmig auf. »Ich sehe überall am Wegesrand Spuren des Krieges. Ich sah diese Spuren schon, bevor ich damit anfing.« Trauernde Mütter. Der Schrecken der Schlacht im Leben junger Männer.
    »Es beginnt als Bürgerkrieg in Appalachee, aber es endet als Krieg zwischen dem König auf der einen und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite. Brutal, blutig, grausam …«
    »Willst du damit sagen, daß ich aufhören soll? Daß ich zusehen soll, wie diese Ungeheuer weiterhin über die Schwarzen herrschen, die sie entführt haben, und über ihre Kinder, bis in alle Ewigkeit?«
    »Keineswegs«, sagte Becca. »Der Krieg kommt wegen einer Million verschiedener Wahlmöglichkeiten. Deine Taten schieben die Dinge in diese Richtung, aber du bist nicht die einzige Ursache. Verstehst du? Wenn der Krieg die einzige Möglichkeit ist, die Sklaven zu befreien, ist er all dieses Leid auch wert. Sind Menschenleben verschwendet, wenn sie für solch eine Sache enden?«
    »So etwas kann ich nicht beurteilen«, sagte Peggy.
    »Aber das stimmt nicht«, sagte Becca. »Nur du kannst es beurteilen, denn nur du siehst, was dabei vielleicht herauskommen wird. Wenn ich die Dinge sehe, sind sie schon unabwendbar geworden.«
    »Warum machst du dir dann die Mühe, mir zu sagen, ich solle versuchen, sie zu ändern, wenn sie unabwendbar sind?«
    »Fast unabwendbar. Ich habe schon wieder ungenau gesprochen. Ich kann mich nicht im großen Stil mit den Fäden befassen. Ich kann die Konsequenzen der Veränderung nicht vorhersehen. Aber ein einzelner Faden – manchmal kann ich ihn bewegen, ohne das gesamte Gewebe ungeschehen zu machen. Ich weiß nicht, wie ich Calvin bewegen und damit etwas verändern könnte. Aber ich konnte dich bewegen. Ich konnte die Richterin hierher bringen, diejenige, die mit verbundenen Augen sehen kann. Also habe ich das getan.«
    »Ich dachte, du hättest gesagt, deine Schwester habe es getan.«
    »Nun ja, sie traf die Entscheidung, daß es getan werden mußte. Aber nur ich konnte den Faden berühren.«
    »Ich glaube, du verbringst viel Zeit damit, zu lügen und Dinge zu verbergen.«
    »Schon möglich.«
    »Wie zum Beispiel die Tatsache, daß die westliche Tür in Ta-Kumsaws Land westlich vom Mizzipy führt.«
    »Diesbezüglich habe ich nie gelogen, und es auch nicht verborgen.«
    »Und die Tür im Osten, wohin führt die?«
    »Sie öffnet sich ins Haus meiner Tante in Winchester, daheim in England. Siehst du? Ich verberge nichts.«
    »Du hast nur eine Tochter«, sagte Peggy, »und sie hat bereits einen eigenen Webstuhl. Wer wird deinen Platz hier einnehmen?«
    »Das geht dich nichts an«, sagte Becca.
    »Jetzt geht mich alles etwas an«, sagte Peggy. »Nachdem du meinen Faden genommen und hierher bewegt hast.«
    »Ich weiß nicht, wer meinen Platz einnehmen wird. Vielleicht werde ich ewig hier sein. Ich bin nicht meine Mutter. Ich werde nicht aufgeben und diese Arbeit einer unwilligen Seele aufzwingen.«
    »Sieh dir den Jungen an, wenn es an der Zeit ist, eine Wahl zu treffen«, sagte Peggy. »Er ist klüger, als du denkst.«
    »Die Hände eines Jungen auf dem Webstuhl?« Beccas Gesicht zeigte einen Ausdruck, als hätte sie gerade etwas Fürchterliches geschmeckt.
    »Wichtiger als das Talent zum Weben«, sagte Peggy, »ist doch, daß der Weber sich um die Fäden kümmert, die in den Stoff kommen. Er mag ein Eichhörnchen getötet haben, aber ich glaube nicht, daß er den Tod liebt.«
    Becca betrachtete sie ruhig. »Du lastest dir zu viel auf.«
    »Wie du gesagt hast, ich bin Richterin.«
    »Du wirst es also tun?«
    »Was, auf Alvin acht geben? Ja. Obwohl ich weiß, daß er mir sechsmal das Herz brechen wird, bevor ich ihn begrabe, ja. Ich werde meine Augen wieder auf diesen Jungen richten.«
    »Diesen Mann.«
    »Diesen Schöpfer«, sagte Peggy.
    »Und der andere?«
    »Wenn ich eine Möglichkeit finde, werde ich mich einmischen.«
    Becca nickte. »Gut.« Sie nickte erneut. »Dann sind wir jetzt fertig. Die Türen werden dich aus dem Haus führen.«
    Das war das einzige Abschiedswort, das Peggy bekam. Aber was Becca gesagt hatte, traf zu. Wo Peggy gerade eben noch keinen Ausweg hatte sehen können, führte nun jeder Gang zu je einer offenstehenden Tür, und draußen war das Tageslicht zu sehen. Aber sie wollte nicht durch die Tür gehen, die in ihre eigene

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