Der Reisende
Mehl mahle?«
Nun ja, Alvin konnte sehr flinkzüngig antworten, daß es natürlich Schöpfen war, aber sie nagte weiterhin an ihm, diese Frage. Ich habe mir vorgenommen, Schöpfer aus diesen Leuten zu machen, aus meiner Familie, meinen Nachbarn. Aber zermahle ich sie in Wirklichkeit nicht nur und entschöpfe sie? Bevor ich versucht habe, sie zu unterrichten, waren sie alle mit ihren jeweiligen Talenten oder sogar ihrem Mangel an Talent zufrieden, wenn es daraufhinauslief. Jetzt sind sie frustriert und kommen sich wie Versager vor, und warum? Ist es Schöpfen, Leute in irgend etwas zu verwandeln, das sie von Natur aus nicht sein sollen? Es ist gut, ein Schöpfer zu sein – ich weiß es, denn ich bin einer. Aber heißt das, daß man nicht auch auf andere Art und Weise gut sein kann?
Natürlich fragte er Geschichtentauscher danach. Schließlich tauchte Geschichtentauscher nicht grundlos auf, auch wenn der alte Knacker selbst nicht wußte, was für ein Grund das war. Vielleicht war er da, um Alvin ein paar Antworten zu geben. Als die beiden also eines Tages draußen Holz hackten, fragte er ihn, und Geschichtentauscher antwortete, wie er es immer tat, mit einer Geschichte.
»Ich habe einmal eine Geschichte gehört, wie jemand eine Mauer baute, so schnell er konnte, aber ein anderer riß sie noch schneller ein, als er sie errichten konnte. Und er fragte sich, wie er verhindern könnte, daß die Mauer vollständig niedergerissen wurde, mal ganz davon zu schweigen, ob er sie je fertigkriegen würde. Und die Antwort war einfach: Man kann sie nicht allein bauen.«
»Ich erinnere mich an diese Geschichte«, sagte Alvin. »Wegen dieser Geschichte bin ich hier, versuche ich, diese Leute das Schöpfen zu lehren.«
»Ich frag mich nur«, sagte Geschichtentauscher, »ob man die Geschichte vielleicht ein wenig dehnen kann, oder vielleicht ein wenig verbiegen, um etwas mehr nützliche Wahrheit aus ihr zu wringen.«
»Wring du nur«, sagte Alvin. »Wir werden schon herausfinden, ob die Geschichte ein nasser Lappen oder ein Hühnerhals ist, wenn du mit dem Wringen fertig bist.«
»Tja, vielleicht brauchst du nicht ‘nen Haufen weiterer Steinmetze, die den Stein schneiden und den Mörtel mischen und die Wand loten und so weiter. Vielleicht brauchst du einfach ein paar Zuschneider, und ein paar Mörtelmischer, und ein paar Vermesser und so weiter. Nicht jeder muß ein Schöpfer sein. Vielleicht braucht man in Wirklichkeit sogar nur den einen Schöpfer.«
Die Wahrheit, die in Geschichtentauschers Worten lag, war offensichtlich; sie war Alvin schon oft und in anderen Gestalten in den Sinn gekommen. Ihn überraschte vielmehr, daß plötzlich Tränen in seine Augen schossen, und er sagte leise: »Warum macht mich das so verzweifelt traurig, mein Freund?«
»Weil du ein guter Mensch bist«, sagte Geschichtentauscher. »Ein böser Mensch wäre erfreut, wenn er herausfindet, daß er der einzige ist, der viele andere Leute beherrschen kann, die für eine gemeinsame Sache arbeiten.«
»Mehr als alles andere will ich nicht mehr allein sein«, sagte Alvin. »Ich war allein. Fast die gesamte Zeit über, die ich Lehrling in Hatrack River war, hatte ich den Eindruck, es gäbe niemanden, der für mich Partei ergreift.«
»Aber du warst die ganze Zeit über nie allein«, sagte Geschichtentauscher.
»Falls du damit meinst, daß Miss Larner auf mich aufgepaßt hat …«
»Peggy meinte ich. Ich verstehe nicht, warum du sie noch immer mit diesem falschen Namen anredest.«
»Das ist der Name der Frau, in die ich mich verliebt habe«, sagte Alvin. »Aber sie kennt mein Herz. Sie weiß, daß ich diesen Mann getötet habe und daß es eigentlich nicht nötig war.«
»Den Mann, der ihre Mutter ermordet hat? Ich glaube nicht, daß sie dir das vorhält.«
»Sie weiß, was für ein Mensch ich bin, und sie liebt mich nicht, das ist gewiß«, sagte Alvin. »Also bin ich in der Minute allein, in der ich diesen Ort verlasse. Und außerdem … würde ich diesen Ort verlassen, käme ich mir vor, als würde ich all diesen Leuten auftragen, sich in einer Reihe aufzustellen, damit ich ihnen ins Gesicht schlagen und sagen kann: ›Ihr habt versagt, also verschwinde ich.‹«
Darüber lachte Geschichtentauscher nur. »Das ist reine Torheit, und du weißt es auch. Die Wahrheit ist, du hast ihnen schon alles beigebracht, und jetzt ist es nur noch eine Sache der Übung. Hier wirst du nicht mehr gebraucht.«
»Aber woanders braucht mich auch niemand«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher