Der Reisende

wie freie Männer und Frauen sich verhalten müssen, und auf eigenen Füßen standen. Es ist ein sehr ehrenwerter Name. Niemand kannte die Schullehrerin, die eines Tages kam und offene Worte sprach, die die geheime Sehnsucht von Janes Herz ausdrückten.
    An diesem Schreibtisch nahm Peggy sich die Zeit, einen Brief zu verfassen und zu adressieren. Vigor Church, im Staate Wobbish. Er würde ihn natürlich erreichen. Nachdem sie ihn versiegelt hatte, gab sie ihn dem Postreiter und hielt dabei endlich nach dem Herzfeuer Ausschau, das sie am besten kannte, sogar noch besser als ihr eigenes. Darin sah sie die vertrauten Möglichkeiten, die entsetzlichen Konsequenzen. Aber wegen des Briefes waren es jetzt andere. Andere … aber bessere? Sie hatte keine Ahnung. Sie war nicht Richterin genug, um es zu wissen. Recht und Unrecht, das war kein Problem für sie. Aber gut und schlecht, besser und schlechter, das war noch zu kompliziert. Die Begriffe glitten immer wieder ganz eigentümlich aneinander vorbei und veränderten sich vor ihren Augen. Vielleicht gab es keinen Richter, der es wissen konnte; und falls es ihn doch geben sollte, sprach er jedenfalls nicht viel darüber.
    Der Bote nahm den Brief und brachte ihn nach Norden, wo er ihn in einer anderen Stadt einem Reiter gab, der ihm die Hälfte dessen bezahlte, was der Brief seines Erachtens bei der Ablieferung wert war. Der zweite Reiter brachte ihn auf seinem gewundenen Weg weiter nach Norden und stand schließlich in einem Laden in der Stadt Vigor Church und erkundigte sich dort nach einem Mann namens Alvin Smith.
    »Ich bin sein Schwager«, sagte der Besitzer des Ladens. »Armor-of-God Weaver. Ich werde Euch für den Brief bezahlen. Glaubt mir, Ihr wollt nicht tiefer in die Stadt, und auch nicht dort hinauf. Ihr wollt Euch nicht die Geschichte anhören, die diese Leute zu erzählen haben.«
    Sein Tonfall überzeugte den Reiter. »Dann also fünf Dollar«, sagte er.
    »Ich möchte wetten, daß Ihr dem Reiter, der Euch den Brief gegeben hat, nur einen Dollar bezahlt habt, da Ihr dachtet, Ihr könntet höchstens zwei von mir bekommen. Aber ich werde Euch die fünf bezahlen, wenn Ihr sie noch immer verlangt, weil ich bereit bin, mich von einem Mann betrügen zu lassen, der damit leben kann, nachdem er es getan hat. Aber am Ende werdet Ihr am meisten bezahlen.«
    »Dann also zwei Dollar«, sagte der Reiter. »Ihr dürft es nicht persönlich nehmen.«
    Armor holte drei Silberdollar hervor und legte sie auf die Hand des Mannes. »Danke, daß Ihr ehrlich wart, Freund«, sagte er. »Ihr seid hier immer willkommen. Bleibt zum Essen bei uns.«
    »Nein«, sagte der Mann, »ich mache mich wieder auf den Weg.«
    Nachdem er fort war, lachte Armor und sagte zu seinem Weib: »Ich möchte wetten, er hat nur fünfzig Cents für den Brief bezahlt. Also glaubt er noch immer, er hätte mich hereingelegt.«
    »Du mußt sorgfältiger auf unser Geld achtgeben, Armor«, antwortete sie.
    »Zwei Dollar, um jemandem ein paar geistige Qualen zu bereiten, die sein Leben vielleicht zum Besseren verändern werden? Das ist doch sehr günstig, würde ich sagen. Was ist Gott eine Seele wert? Zwei Dollar, meinst du nicht auch?«
    »Es schaudert mich, wenn ich daran denke, worauf die Seelen mancher Menschen herabgesetzt werden, wenn Gott sich entschließt, den Laden zu schließen«, sagte seine Frau. »Ich bringe den Brief zu Mutters Haus hinauf. Ich gehe heute sowieso zu ihr.«
    »Measures Junge Simon kommt runter, um die Post zu holen«, sagte Armor.
    Sie funkelte ihn wütend an. »Ich wollte ihn nicht lesen.«
    »Das habe ich auch nicht behauptet.« Aber er gab ihr den Brief trotzdem nicht. Statt dessen legte er ihn auf die Theke und wartete, bis Measures ältester Sohn kam und ihn den Hügel hinauf zu dem Haus brachte, in dem Alvin die Leute unterrichtete, wie man Schöpfer wurde. Armor war darüber nicht besonders erfreut. Es kam ihm unreligiös vor, ungehörig, wider die Bibel. Und doch wußte er, daß Alvin ein guter Junge war, der zu einem guten Mann herangewachsen war, und welche Hexenkräfte auch immer er haben mochte, er setzte sie nicht ein, um Schaden anzurichten. Konnte es wirklich wider Gott und die Religion sein, daß er solche Kräfte hatte, wenn er sie auf christliche Weise einsetzte? Schließlich hatte Gott die Welt und alle Dinge darauf geschaffen. Wenn Gott nicht wollte, daß es Schöpfer gab, hätte er keine erschaffen müssen. Was Alvin tat, mußte also mit Gottes Willen