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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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zwangsläufig bitten, Leute zu verteidigen, die der Hexerei angeklagt wurden. Euer Bruder könnte die Argumente haben, die es mir ermöglichen, das Leben eines solchen Klienten zu retten. Solche Ideen findet man hier in England nicht, denn die Karriere eines Mannes wäre ruiniert, würde er die Werke Satans zu beflissen erkunden.«
    »Und warum habt Ihr dann keine Angst, Eure Karriere zu ruinieren?« fragte Calvin.
    »Weil das, was er weiß, so wahr klingt, daß ein Lügner wie Ihr um die halbe Erde flieht, um sich von der Wahrheit zu entfernen.«
    Calvins Gesichtsausdruck wurde häßlich vor Haß. »Wie könnt Ihr es wagen, so mit mir zu sprechen! Ich könnte …«
    Also hatte Verily recht gehabt mit seiner Vermutung darüber, wie Calvin zu Hause in seine eigene Familie hineinpaßte. »Der Name der Stadt, und wir beide werden uns nie wieder unterhalten müssen.«
    Calvin dachte einen Augenblick lang nach und wog die Entscheidung ab. »Ich nehme Euch beim Wort, Mister aufstrebender junger hochwohlgeborener Anwalt. Die Stadt heißt Vigor Church und liegt im Wobbish-Territorium. In der Nähe der Mündung des Tippy-Canoe Creek. Sucht meinen Bruder auf, wenn Ihr könnt. Lernt von ihm – wenn Ihr könnt. Dann könnt Ihr Euch den Rest Eures Lebens fragen, ob Ihr nicht vielleicht besser daran getan hättet zu versuchen, von mir zu lernen.«
    Verily lachte leise. »Das glaube ich kaum, Calvin Miller. Ich weiß bereits, wie man lügt, und das ist leider das einzige Talent, in dem Ihr ausreichend geübt seid, um darin wirklich erfahren zu sein.«
    »Zu einer anderen Zeit hätte ich Euch für diese Bemerkung erschossen.«
    »Aber dieses Zeitalter liebt Lügner«, sagte Verily. »Deshalb gibt es auch so viele von uns, die ihr Leben führen, indem sie anderen etwas vormachen. Ich weiß nicht, was Ihr in Frankreich zu finden hofft, aber ich kann Euch versprechen, wenn Euer ganzes Leben bis zu diesem Augenblick eine Lüge ist, wird es auf lange Sicht wertlos für Euch sein.«
    »Jetzt seid Ihr ein Prophet? Jetzt könnt Ihr ins Herz eines Mannes schauen?« Calvin schnaubte und trat zurück. »Wir haben eine Abmachung. Ich habe Euch gesagt, wo mein Bruder wohnt. Jetzt haltet Euch von mir fern.« Calvin Miller verließ die Party, und einen Augenblick später tat Verily Cooper es ihm gleich. Daß Verily sich vor der versammelten Gesellschaft dermaßen unhöflich benahm, war ein beträchtlicher Skandal. Konnte man ihn auch weiterhin ruhigen Gewissens zu Diners und Partys einladen?
    Nach einer Woche stellte diese Frage sich nicht mehr. Verily Cooper war verschwunden, aus seiner Anwaltskanzlei ausgeschieden, hatte seine Bankkonten aufgelöst, seine Wohnung gekündigt. Er schickte seinen Eltern einen Brief, in dem er ihnen lediglich mitteilte, er würde nach Amerika fahren, um mit jemandem über einen Fall zu sprechen, an dem er arbeitete. Er fügte nicht hinzu, daß es der wichtigste Fall seines Lebens war: Er wollte sich selbst den Prozeß als Hexer machen. Er schrieb ihnen auch nicht, wann, falls überhaupt, er nach England zurückkehren wolle. Er segelte gen Westen und würde dann jedes Beförderungsmittel nehmen, das sich ihm bot, selbst wenn er zu Fuß eine holperige Straße bewältigen mußte, um diesen Alvin Smith zu finden, der das erste Vernünftige über Talente gesagt hatte, das Verily je gehört hatte.
    Und an demselben Tag, an dem Verily Cooper von Liverpool aus in See stach, trat Calvin Miller auf die Fähre nach Calais. Von diesem Augenblick an sprach Calvin nur noch die französische Sprache; er war entschlossen, sie fließend zu beherrschen, bevor er Napoleon kennenlernte. Er würde mehrere Jahre lang nicht mehr an Verily Cooper denken. Er hatte Wichtigeres zu tun. Was interessierte es ihn schon, was irgendein Anwalt aus London von ihm hielt?

10 Willkommen daheim

    Hätte man ihm die Entscheidung überlassen, wäre Alvin wahrscheinlich nicht nach Hatrack River zurückgekehrt. Sicher, in diesem Ort war er geboren worden, doch da seine Familie schon weitergezogen war, bevor er sich allein aufsetzen konnte, hatte er keinerlei Erinnerungen mehr daran, wie es damals gewesen war. Er wußte, daß die ältesten Siedler in diesem Ort Horace Guester, Makepeace Smith und der alte Vanderwoort waren, ein holländischer Händler; bei seiner Geburt mußten der Gasthof, die Schmiede und die Gemischtwarenhandlung also schon existiert haben. Aber in seinem Gedächtnis konnte er keine Bilder von einem so kleinen Ort

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