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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Makepeace und Gertie!«
    »Das glaub ich nicht«, sagte Alvin. »Zuerst einmal ist Gertie tot.«
    »O ja, stimmt«, sagte der Junge. »Ihr ist ein Blutgefäß geplatzt, als sie Makepeace angeschrien hat, nicht wahr?«
    »Wo hast du denn das gehört?« fragte Alvin. »Dir entgeht nicht viel Klatsch, nicht wahr, Junge?«
    »Ich kann nichts dafür, worüber die Leute sich unterhalten, wenn ich neben ihnen stehe«, sagte Arthur Stuart. Und dann, seine ursprüngliche Idee betreffend: »Ich schätze, es wäre sowieso nicht richtig, Makepeace zu besuchen, bevor wir Papa gesehen haben.«
    Alvin sagte ihm nicht, daß Horace Guester es nicht ausstehen konnte, wenn Arthur ihn Papa nannte. Die Leute kriegten den falschen Eindruck, als sei vielleicht Horace selbst die weiße Hälfte dieses Mischlingsjungen, was nicht der Fall war, aber die Leute reden ja trotzdem. Wenn Arthur älter war, würde Alvin ihm erklären, daß er zu Horace nicht mehr Papa sagen sollte. Doch im Augenblick war Horace ein Mann, und ein Mann mußte die unschuldige Beleidigung eines wohlmeinenden Jungen ertragen können.
    Der Gasthof war doppelt so groß wie zuvor. Horace hatte einen neuen Flügel angebaut, der die Vorderseite flächenmäßig verdoppelte, wobei die Veranda nun um die gesamte Fassade führte. Aber das war keineswegs der einzige Unterschied – das ganze Haus war jetzt mit Schindeln verkleidet, weiß getüncht und wunderschön im Kontrast zum tiefen Grün des Waldes, der sich noch immer so nah an das Haus heranschlich, wie es ihm beliebte.
    »Tja, Horace hat das Haus mächtig verschönern getan«, sagte Alvin.
    »Sieht gar nicht mehr wie sich selber aus«, sagte Arthur Stuart.
    »Wie es selbst«, verbesserte Alvin ihn.
    »Wenn du ›verschönern getan‹ sagen kannst, kann ich ›wie sich selber‹ sagen«, sagte Arthur Stuart. »Miss Larner ist sowieso nicht hier, um uns zu verbessern.«
    »›Zu berichtigen tun‹, heißt es«, sagte Alvin, und beide lachten, während sie auf die Veranda gingen.
    Die Tür wurde geöffnet, und eine ziemlich stämmige Frau mittleren Alters trat hindurch und wäre fast gegen sie geprallt. Unter dem einen Arm trug sie einen Korb und unter dem anderen einen Schirm, obwohl es wirklich nicht nach Regen aussah.
    »Verzeihung«, sagte Alvin. Er sah, daß sie sich mit Hexagrammen und Talismanen umgeben hatte. Vor nicht allzu vielen Jahren wäre er von ihnen getäuscht worden wie jeder normale Mensch auch (obwohl er immer gesehen hätte, wo die Talismane waren und wie die Hexagramme arbeiteten). Aber er hatte gelernt, an Hexagrammen der Illusion vorbeizuschauen, und genau darum handelte es sich bei diesen. Heutzutage war es für ihn so natürlich, die Wahrheit zu sehen, daß es wirklich anstrengend war, die Illusion zu sehen. Er unternahm die Anstrengung und verspürte verschwommene Trauer darüber, daß sie sich fast zur Karikatur weiblicher Schönheit gemacht hatte. Hätte sie nicht kreativer, interessanter als das sein können? Er kam sofort zum Urteil, daß die wirkliche Frau mittleren Alters zwar etwas breit in der Taille und mit reichlich Grau im Haar geschlagen, aber die attraktivere der beiden Erscheinungen war. Und auf jeden Fall war sie die interessantere.
    Sie bemerkte, daß er sie anstarrte, ging aber zweifellos davon aus, ihre Schönheit habe ihn beeindruckt. Sie mußte daran gewöhnt sein, daß Männer sie anstarrten – es schien sie zu amüsieren. Sie erwiderte seinen Blick geradeheraus, suchte in ihm aber nicht nach Schönheit, soviel stand fest.
    »Ihr wurdet hier geboren«, sagte sie, »aber ich habe Euch noch nie zuvor gesehen.« Dann betrachtete sie Arthur Stuart. »Aber du wurdest weiter im Süden geboren.«
    Arthur nickte; seine Schüchternheit und die überwältigende Kraft ihrer Erklärung ließen ihn verstummen. Sie sprach, als wären ihre Worte nicht nur wahr, sondern würden alle anderen Wahrheiten auslöschen, die je gedacht worden waren.
    »Er wurde in Appalachee geboren, Missus …« Vergeblich wartete Alvin auf ihre Antwort. Dann wurde ihm klar, daß er ja ihr junges, wunderschönes falsches Bild sehen und wohl glauben sollte, sie sei eine Miss und keine Missus.
    »Ihr seid auf dem Weg nach Carthage City«, sagte die Frau, die nun wieder zu Alvin sprach, aber ziemlich kalt.
    »Das glaube ich nicht«, sagte Alvin. »Dort wartet nichts auf mich.«
    »Noch nicht, noch nicht«, sagte sie. »Aber jetzt kenne ich Euch. Ihr müßt Alvin sein, der Lehrling, von dem Makepeace unaufhörlich

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