Der Reisende

heraufbeschwören.
    Das Hatrack River, das er kannte, war das Dorf seiner Lehrzeit, mit einem Dorfplatz, einer Kirche mit einem Prediger, mit Whitley Physicker, der sich um die Kranken kümmerte, und sogar einem Postamt und genug Leuten mit so vielen Kindern, daß sie einen festen Beitrag erheben und eine Lehrerin einstellen konnten. Was bedeutete, daß es sich bei Hatrack River nun um eine richtige Stadt handelte, doch was für eine Rolle spielte das schon für Alvin? Von seinem elften Lebensjahr an steckte er dort fest, an einen gierigen Meister gefesselt, der die letzte Unze Arbeit aus »seinem« Jungen quetschte, während er ihm so wenig wie möglich beibrachte, und das so spät wie möglich. Er hatte kaum Geld, um sich davon irgendwelche Vergnügungen kaufen zu können, und hätte er es gehabt, hätte er wohl keine Zeit dafür gehabt.
    Doch so elend seine Lehrzeit auch gewesen sein mochte, vielleicht hätte er sich trotzdem gern an Hatrack River erinnert. Da war schließlich noch Makepeaces zänkisches Weib Gertie, die trotz allem eine gute Köchin war und den Jungen dann und wann mit etwas Freundlichkeit bedachte. Da waren Horace und Old Peg Guester, die sich an seine Geburt erinnerten und ihm den Eindruck gaben, willkommen zu sein, wann immer er einen Augenblick Zeit hatte, um sie zu besuchen oder ihnen mit irgendeiner Gelegenheitsarbeit zu helfen. Und nachdem Alvin sich einen Namen gemacht hatte, perfekte Hexagramme und bessere Eisenwaren als sein Meister zu fertigen, kamen auch alle anderen Leute aus dem Dorf oft vorbei, baten ihn um dieses und jenes und taten umständlich so, als wüßten sie nicht, daß Alvin der wahre Meister in dieser Schmiede war. Man mußte den alten Makepeace ja nicht unnötig aufregen, denn er hätte es ja nur an dem Jungen ausgelassen, oder? Aber mit seinen Händen konnte er gut umgehen, dieser junge Alvin.
    Also hätte Alvin tatsächlich einige glückliche Erinnerungen an den Ort haben können, so wie die Menschen immer eine Möglichkeit fanden, in ihre Vergangenheit einzutauchen und traurige Augenblicke zu vergessen, auch wenn diese Augenblicke damals sehr einsam oder schmerzlich oder geradeheraus höllisch gewesen waren.
    Doch bei Alvin wurden all diese Erinnerungen aus Kindheit und Jugend von der Art und Weise verschluckt, wie es geendet hatte. Genau im glücklichsten Augenblick, als er sich in Miss Larner verliebt und versucht hatte, aus Büchern etwas Anständiges zu lernen, kamen diese Sklavensucher, die nach dem kleinen Arthur Stuart suchten, und alles wurde häßlich. Sie zwangen Alvin sogar, die Ketten zu machen, die Arthur auf dem Weg zurück in die Sklaverei tragen sollte. Dann nahmen Alvin und Horace Guester ihr Leben in die Hand und schickten sich an, den Jungen zurückzuholen, und Alvin veränderte Arthur Stuart tief im Innern und spülte sein altes Ich in den Hio, so daß die Sklavensucher ihn nicht mehr dem Haar und der Haut in ihrem Siegelkästchen zuordnen konnten. Also hätte alles selbst dann noch hoffnungsvoll enden können, eine gute Erinnerung an eine schlimme Zeit, die sich hinterher doch noch zum Guten wendete.
    Doch dann kam dieser letzte Abend, an dem Alvin mit Miss Larner in der Schmiede stand, ihr sagte, daß er sie liebte, und sie bat, ihn zu heiraten, und sie fast ja gesagt hätte; jedenfalls hatte sie einen Blick in den Augen, der ja sagte, dachte er zumindest. Doch genau in diesem Augenblick brachte Old Peg Guester einen der Sklavensucher um und wurde dann von dem anderen getötet. Erst danach fand Alvin heraus, daß Miss Larner in Wirklichkeit Little Peggy war, Pegs und Horaces lange verschollene Tochter, das Fackelmädchen, das Alvin das Leben gerettet hatte, als er ein kleines Baby war. Was für eine Entdeckung über die Frau, die man liebt, in genau dem Augenblick, in dem man sie für immer verliert.
    Aber in diesem Augenblick dachte er gar nicht darüber nach, daß er Miss Larner verloren hatte. Er konnte nur an Old Peg denken, die barsche, scharfzüngige und liebevolle alte Peg, die von einem Sklavensucher erschossen worden war, und obwohl sie zuvor einen von ihnen erschossen hatte, waren sie ohne Erlaubnis in ihr Haus eingedrungen, und selbst wenn das Gesetz ihnen das Recht gab, das Haus zu betreten, war es ein böses Gesetz und war es böse, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und in diesem Augenblick spielte das alles sowieso keine Rolle, weil Alvin so wütend war, daß er nicht mehr klar denken konnte. Alvin fand den Mann, der Old