Der Reiz des Verbotenen - Page, S: Reiz des Verbotenen
Messer aus der feuchten Erde. Die Pistole war Tom aus der Hand gefallen. Sie lag neben ihm. Der Boden musste mit Blut getränkt sein.
Sie hörte, wie Marcus der Zofe mit dem Galgen drohte, woraufhin Juliette finstere Flüche ausstieß, bevor sie endlich schwieg.
„Vee.“ Als Marcus mit seiner sanften, schmerzerfüllten Stimme ihren Namen sagte, sah Venetia ihn an. „Was tust du da?“
Mit zitternder Hand umklammerte Venetia die Pistole. Plötzlich wurde ihr klar, was sie tat. Sie räumte auf. Sie konnte nicht einfach weggehen und die Waffen herumliegen lassen. Außerdem brauchte Marcus eine Pistole, um Juliette in Schach zu halten.
Er umschlang Juliettes Arme mit einer Kordel und band sie fest zusammen. Juliette ließ den Kopf hängen, und Tränen liefen ihr in Bächen über die Wangen. „Tom … Tom … Tom …“
Venetia gab Marcus die Pistole und betrachtete die Zofe, die im Wind schwankte, bis schließlich ihre Knie nachgaben und sie zu Boden sank. Ihr Schluchzen klang, als würde ihr das Herz brechen.
Während Marcus‘ behandschuhte Hand nach Venetia griff, tauchten seine türkisfarbenen Augen tief in ihre. Sie sah Bewunderung in seinem Blick.
„Was, zur Hölle, hast du ihr ins Gesicht geschüttet, Vee?“
„Terpentin. Ich … Ich habe meine Malsachen mitgebracht.“
Nun, da alles vorüber war, konnte es keine Geheimnisse mehr geben. Venetia berührte ihre Wange, als sie, die Hand auf Marcus‘ Arm, die Bibliothek betrat. Ihr Gesicht unter der Haube war unbedeckt.
Lord Aspers, der würdevolle, weißhaarige Richter, war allein im Zimmer. Durch das Fenster hinter seinem Rücken flutete Morgenlicht herein. Venetia fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, Tränen der Erleichterung und der Sorge angesichts der Ironie, die darin lag, wie wunderschön dieser Tag war.
Lord Aspers führte die Befragung mit Takt und Sorgfalt durch. Venetia zögerte nur, als er sie nach ihrem wirklichen Namen fragte.
Marcus legte seine Hand über ihre. „Du musst ihn nennen.“
Voller Vertrauen in Marcus antwortete sie: „Venetia Hamilton.“ Und sie fuhr flüssig mit dem Rest ihrer Geschichte fort, bis sie ihre Skizzen erklären musste. „Porträts“, schwindelte sie mit glühenden Wangen. „Und auf ihnen habe ich die Ähnlichkeit zwischen Lydia Harcourt und Tom Polk erkannt.“
Aspers lehnte sich zurück. „Es scheint, Sie waren beide gezwungen, in Notwehr zu handeln. Ich sehe keinen Grund, weshalb Miss Hamiltons Identität enthüllt werden sollte. Eine offizielle Zeugenaussage wird nicht nötig sein. Was Lydia Harcourts Buch und das Manuskript betrifft – wir haben Polks Geständnis Ihnen gegenüber, Trent. Wir wissen, dass er Lydia Harcourt und Lord Chartrand ermordet hat.“
„Es gibt also keinen Grund, die Geheimnisse von irgendjemandem preiszugeben“, sagte Marcus.
„Nicht den geringsten Grund“, wiederholte Aspers. Er nahm das ledergebundene Journal und das mit der scharlachroten Schleife zusammengebundene Manuskript und ging zum Kamin. Dort stützte er sich mit einer Hand auf den Sims, während er mit der anderen beides den Flammen übergab. „
„Wir können dann also nach London zurückkehren?“, fragte Marcus.
„So ist es, Trent.“
In der Tür zögerte Venetia. Aspers stand an seinem Pult am Fenster und warf eine Notiz auf einen Bogen Papier. Sie streckte den Arm aus und griff nach Marcus‘ Hand. „Alle anderen brechen gerade auf. Sie sind in diesem Moment dabei, ihre Kutschen zu beladen. Wenn ich jetzt hinausgehe, werden sie mich unmaskiert sehen. Und wenn das geschieht, werde ich in London keine Porträts malen können.“
„Nein“, sagte Marcus. „Das wirst du nicht.“
Am vergangenen Abend hatte er nichts mehr über ihre Malerei gesagt. Sie hatte ihm sogar ihre Skizzen gezeigt. Er hatte jede einzelne betrachtet, ohne einen Kommentar abzugeben.
Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen hatte sie daneben gestanden und ihn beobachtet. Am Ende hatte er die Stirn gerunzelte. „Du hast keine Bilder von mir gemalt.“
Diese Feststellung hatte sie nicht erwartet. „Ich dachte, du wünschst, dass ich damit aufhöre“, hatte sie geantwortet.
Ruhig hatte er gesagt: „Lass es mich dir noch einmal erklären: Ich bin voller Bewunderung für deine Brillanz. Uns mit einer Flasche Terpentin zu retten, war absolut genial.“ Er hatte ihr einen Kuss auf die Schläfe gehaucht.
„Du hast uns gerettet, Marcus. Wenn du dich nicht so rasch bewegt hättest …“
Daraufhin hatte er
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