Der Report der Magd
es bin. Versuch es doch mal so zu sehen: es ist nicht das Schlechteste, es gibt haufenweise Frauen hier. Das Lesbenparadies könnte man es nennen.«
Jetzt neckt sie mich, zeigt etwas Energie, und ich habe ein besseres Gefühl. »Lassen sie euch denn?« frage ich.
»Lassen? Was meinst du, die fördern das noch. Weißt du, wie sie den Puff hier unter sich nennen? Jesebels Reich. In den Augen der Tanten sind ja ohnehin alle verdammt, sie haben uns aufgegeben, also spielt es keine Rolle, was für ein Laster wir uns aussuchen. Und die Kommandanten kümmern sich einen Dreck darum, was wir in unserer Freizeit tun. Und im übrigen: Frauen mit Frauen, das turnt die nur an.«
»Und die anderen?« sage ich.
»Na, sagen wir es mal so«, sagt sie, »die sind auch nicht gerade scharf auf Männer.« Sie zuckt wieder mit den Schultern. Es könnte Resignation sein.
Und hier die Geschichte, die ich gern erzählen würde. Ich würde gern erzählen, wie Moira entkam und diesmal endgültig. Und wenn ich das nicht erzählen könnte, würde ich gern sagen, daß sie Jesebels Reich in die Luft sprengte mit fünfzig Kommandanten darin. Ich hätte gern, daß sie mit einer waghalsigen und aufsehenerregenden Geste endet, mit einer Geste, die zu ihr passen würde. Aber soweit ich weiß, ist das alles nicht geschehen. Ich weiß nicht, wie sie endete, weiß nicht, ob sie am Ende noch lebt, denn ich habe sie nie wiedergesehen.
Kapitel neununddreißig
Der Kommandant hat einen Zimmerschlüssel. Er hat ihn bei der Rezeption geholt, während ich auf dem geblümten Sofa wartete. Er zeigt ihn mir listig. Ich soll verstehen.
Wir schweben in der gläsernen Eihälfte des Lifts nach oben, an den weinbewachsenen Balkonen vorbei. Ich soll auch verstehen, daß ich zur Schau gestellt werde.
Er schließt die Tür zu dem Zimmer auf. Alles ist noch so, genau so, wie es einst war – damals. Die Vorhänge sind dieselben, die schweren geblümten, passend zum Bettüberwurf, orangerote Mohnblüten auf Königsblau, und die dünnen weißen Gardinen, die man gegen die Sonne zuzieht. Der Schreibtisch und die Nachttischchen, klobig, kantig, unpersönlich, die Lampen, die Bilder an den Wänden: Obst in einer Schale, stilisierte Äpfel, Blumen in einer Vase, Butterblumen und Teufelskralle, abgestimmt auf die Übergardinen. Alles dasselbe.
Ich sage »Einen Moment« zum Kommandanten und gehe ins Badezimmer. Meine Ohren hallen vom Rauch, der Gin hat mich mit Mattigkeit erfüllt. Ich befeuchte einen Waschlappen und drücke ihn mir an die Stirn. Nach einer Weile sehe ich nach, ob es auch kleine Seifenstückchen gibt, einzeln eingepackt. Es gibt welche. Die mit der Zigeunerin darauf, aus Spanien.
Ich atme den Seifengeruch ein, den desinfizierenden Geruch und stehe in dem weißen Badezimmer und horche auf die fernen Geräusche von laufendem Wasser, Toilettenspülungen. Auf eine seltsame Art fühle ich mich getröstet, zu Hause. Es ist etwas Beruhigendes an den Toiletten: Die Körperfunktionen zumindest bleiben demokratisch. Jeder Mensch scheißt, wie Moira sagen würde.
Ich sitze auf dem Rand der Badewanne und schaue unverwandt auf die unbenutzten Handtücher. Früher hätten sie mich in Erregung versetzt. Sie hätten das Hinterher bedeutet, die Nachwirkungen der Liebe.
Ich habe deine Mutter gesehen, sagte Moira.
Wo? frage ich. Wie durchgeschüttelt und abgeworfen. Mir wurde bewußt, daß ich an sie wie an eine Tote gedacht hatte.
Nicht persönlich, es war in dem Film, den sie uns gezeigt haben, über die Kolonien. Es war eine Nahaufnahme, sie war es tatsächlich. Sie war in eins von diesen grauen Dingern gehüllt, aber ich weiß, daß sie es war.
Gott sei Dank, sagte ich.
Wieso Gott sei Dank? sagte Moira.
Ich dachte, sie sei tot.
Vielleicht ist sie es, sagte Moira. Du solltest ihr das wünschen.
Ich kann mich an das letzte Mal, als ich sie sah, nicht mehr erinnern. Es vermischt sich mit all den anderen Malen. Es war irgendein trivialer Anlaß. Sie muß auf einen Sprung vorbeigekommen sein, wie sie das öfter tat: sie stürmte in mein Haus herein und wirbelte wieder hinaus, als wäre ich die Mutter und sie das Kind. Sie hatte immer noch diese Unbekümmertheit. Manchmal, wenn sie gerade zwischen zwei Wohnungen war, wenn sie gerade in eine einzog oder aus einer anderen auszog, benutzte sie meine Wasch- und Trockenmaschine für ihre Wäsche. Also war sie vielleicht herübergekommen, um sich etwas zu leihen: einen Topf, einen Fön. Auch das war eine
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