Der Report der Magd
setzten zwei von ihren Leuten hinten in den Wagen zu mir, und die beobachteten mich wie die Habichte – kriegten den Mund nicht auf, sondern saßen einfach nur da und beobachteten mich mit ihrem glotzäugigen Blick, wie die das so an sich haben. Das ging also nicht.
Wir landeten dann doch nicht im Zentrum, sondern fuhren woandershin. Ich will mich nicht darüber auslassen, was danach passierte. Ich rede nicht gern darüber. Ich kann nur sagen, daß sie keine Male hinterlassen haben.
Als das vorbei war, zeigten sie mir einen Film. Und weißt du, worüber? Über das Leben in den Kolonien. In den Kolonien verbringen die Leute ihre Zeit damit, aufzuräumen. Sie sind dort sehr auf Sauberkeit und Ordnung bedacht, heutzutage. Manchmal sind es nur Leichen, nach einer Schlacht. Die in den städtischen Ghettos sind die schlimmsten, sie bleiben länger liegen und sind oft schon halb verfault. Dieser Verein mag nicht, daß Leichen herumliegen, sie haben Angst vor der Pest oder so. Das Verbrennen dort in den Kolonien wird also von den Frauen besorgt. In den anderen Kolonien ist es sogar noch schlimmer, mit den Giftmülldeponien und den Strahlungsunfällen. Sie meinen, daß du dort maximal drei Jahre hast, bis dir die Nase abfällt und du dir die Haut abziehen kannst wie Gummihandschuhe. Sie machen sich auch nicht die Mühe, dich ordentlich zu ernähren oder dir Schutzkleidung oder so zu geben, ohne das ist es billiger. Außerdem sind die meisten dort Leute, die sie loswerden wollen. Sie sagen, daß es noch andere Kolonien gibt, wo es nicht so schlimm ist, wo sie Landwirtschaft betreiben: Baumwolle und Tomaten und das alles. Aber das waren nicht die, um die es in dem Film ging.
Es sind alte Frauen, ich wette du hast dich schon manchmal gewundert, warum man eigentlich kaum noch ältere Frauen sieht, und Mägde, die ihre drei Chancen vermasselt haben und Unbelehrbare wie ich. Aussortierte, Schrott, wir alle. Sie sind natürlich steril. Wenn sie es nicht von vornherein sind, werden sie es spätestens, wenn sie ein Weilchen dort gewesen sind. Und wenn es nicht ganz sicher ist, wird eine kleine Operation an dir vorgenommen, damit keine Irrtümer entstehen. Ich würde sagen, ein Viertel der Leute in den Kolonien sind Männer. Nicht alle diese Geschlechtsverräter enden an der Mauer.
Alle tragen lange Kleider, wie die im Zentrum, nur grau. Frauen und auch die Männer, nach den Gruppenbildern zu schließen. Ich nehme an, es soll die Männer demoralisieren, daß sie Kleider tragen müssen. Scheiße, ich glaube, schon mich würde es reichlich demoralisieren. Wie hältst du das nur aus? Alles in allem gefällt mir diese Tracht hier doch besser.
Danach sagten sie dann, ich sei zu gefährlich, sie könnten mir das Privileg, ins Rote Zentrum zurückzukehren, nicht zugestehen. Sie erklärten, ich übe einen korrumpierenden Einfluß aus. Ich hätte die Wahl, sagten sie, zwischen dem hier und den Kolonien. Also wirklich, so ein Scheiß, kein Mensch außer einer Nonne würde sich die Kolonien aussuchen. Ich meine, ich bin doch kein Märtyrer. Ich hatte mich ja schon vor Jahren sterilisieren lassen, deshalb brauchte ich nicht einmal die Operation. Hier gibt's ja auch keine einzige Frau mit funktionierenden Eierstöcken. Du kannst dir denken, was für Probleme das mit sich bringen würde.
Ja, und da bin ich nun. Sie geben uns sogar Gesichtscreme. Du solltest dir eine Möglichkeit ausdenken, hier reinzukommen. Dann hättest du drei oder vier gute Jahre vor dir, bevor du abkratzt und sie dich in die Abdeckerei schicken. Das Essen ist nicht schlecht, und es gibt Alkohol und Drogen, wenn du willst, und wir arbeiten nur nachts.«
»Moira«, sage ich, »das meinst du doch nicht im Ernst!« Sie erschreckt mich jetzt, denn in ihrer Stimme schwingt Gleichgültigkeit mit, nicht eine Spur Willenskraft. Haben sie ihr das wirklich angetan, haben sie ihr etwas weggenommen – was? – , das so entscheidend zu ihrem Wesen gehört? Aber wie kann ich von ihr erwarten, daß sie durchhält, den Mut behält, den sie in meiner Vorstellung besitzt, daß sie es durchsteht, daß sie kämpft, wenn ich selbst es nicht tue?
Ich möchte nicht, daß sie so ist wie ich. Daß sie nachgibt, mitmacht, ihre Haut rettet. Darauf läuft es hinaus. Ich will Tapferkeit von ihr, Säbelgerassel, Heldentum, den Einzelkampf. Alles, was mir abgeht.
»Mach dir keine Sorgen um mich«, sagt sie. Bestimmt ahnt sie etwas von dem, was ich denke. »Ich bin noch da, und du siehst, daß ich
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