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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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er etwas, hat er Luke gesehen, hat er gefunden, kann er zurückbringen?
    »Wie glaubst du wohl?« sagt er, immer noch kaum atmend. Ist das seine Hand, was da an meinem Bein entlanggleitet? Er hat den Handschuh ausgezogen. »Die Tür ist abgeschlossen. Keiner wird hereinkommen. Sie werden nie erfahren, daß es nicht von ihm ist.«
    Er hebt das Laken. Der untere Teil seines Gesichts ist mit der weißen Gaze-Maske bedeckt, Vorschrift. Zwei braune Augen, eine Nase, ein Kopf mit braunem Haar darauf. Seine Hand liegt zwischen meinen Beinen. »Die meisten von diesen alten Knochen schaffen es gar nicht mehr«, sagt er. »Oder sie sind steril.«
    Mir stockt der Atem: er hat ein verbotenes Wort gesagt. Steril. Das gibt es gar nicht mehr, einen sterilen Mann, nicht offiziell. Es gibt nur Frauen, die fruchtbar sind, und Frauen, die unfruchtbar sind, so will es das Gesetz.
    »Viele tun es«, fährt er fort. »Du willst doch ein Kind, nicht?«
    »Ja«, sage ich. Es stimmt, und ich frage mich nicht warum, denn ich weiß es. Schaffe mir Kinder; wo nicht, so sterbe ich. Das hat mehr als nur eine Bedeutung.
    »Du bist weich«, sagt er. »Es ist die richtige Zeit. Heute oder morgen wäre es gut, warum die Chance vertun? Es dauert nur eine Minute, Herzchen.« So, wie er seine Frau einmal genannt hat; vielleicht tut er es immer noch, aber eigentlich ist es ein Gattungsname. Wir alle sind Herzchen.
    Ich zögere. Er bietet sich mir an, seine Dienste, bei einem beträchtlichen Risiko für ihn selbst.
    »Ich kann es nicht mitansehen, was sie euch zumuten«, murmelt er. Es ist echt, echtes Mitgefühl, und trotzdem genießt er es, das Mitgefühl und alles Drum und Dran. Seine Augen sind feucht vor Mitleid, seine Hand auf mir bewegt sich, nervös und ungeduldig.
    »Es ist zu gefährlich«, sage ich. »Nein, ich kann es nicht.« Die Strafe, die darauf steht, ist der Tod. Sie müssen einen allerdings in flagranti ertappen, mit zwei Zeugen. Wie stehen die Chancen, ist der Raum mit Wanzen versehen? Wer wartet draußen an der Tür?
    Seine Hand hält still. »Denk darüber nach«, sagt er. »Ich habe dein Kurvenblatt gesehen. Viel Zeit hast du nicht mehr. Aber es ist dein Leben.«
    »Vielen Dank«, sage ich. Ich muß den Eindruck hinterlassen, daß ich mich nicht gekränkt fühle, daß ich Vorschlägen gegenüber aufgeschlossen bin. Er nimmt seine Hand fort, lässig, gleichsam schleppend. Für ihn ist das noch nicht das letzte Wort. Er könnte die Untersuchungsergebnisse fälschen, mich melden wegen Krebs, wegen Unfruchtbarkeit, mich in die Kolonien verschiffen lassen, zu den Unfrauen. Nichts dergleichen ist ausgesprochen worden, und doch, das Wissen von seiner Macht liegt in der Luft, als er mir den Schenkel tätschelt und sich hinter dem herunterhängenden Laken entfernt.
    »Nächsten Monat«, sagt er.
    Hinter dem Schirm ziehe ich meine Kleider wieder an. Meine Hände zittern. Warum habe ich Angst? Ich habe keine Grenzen übertreten, ich bin nicht vertrauensselig gewesen, kein Risiko eingegangen, alles ist gut. Was mich erschreckt, ist die Möglichkeit der Wahl. Ein Ausweg, eine Rettung.
     

Kapitel zwölf
    Das Badezimmer befindet sich neben dem Schlafzimmer. Es ist mit kleinen blauen Blümchen austapeziert, Vergißmeinnicht, mit dazu passenden Gardinen. Eine blaue Badematte liegt auf dem Boden, ein blauer Plüschüberzug auf dem Toilettensitz; das einzige, was diesem Badezimmer aus der Zeit davor noch fehlt, ist eine Puppe, deren Rock die Ersatzrolle Klopapier verdeckt. Abgesehen davon, daß der Spiegel über dem Waschbecken abgenommen worden und durch einen rechteckigen aus Blech ersetzt worden ist und daß die Tür kein Schloß hat, und daß hier natürlich keine Rasierapparate herumliegen. In der ersten Zeit kam es in Badezimmern zu Zwischenfällen, zu Selbstverstümmelungen, Tod durch Ertrinken. Das war, bevor sie alle Mängel ausgebügelt haben. Cora sitzt auf einem Stuhl draußen im Flur, um aufzupassen, daß niemand anders ins Bad geht. Im Badezimmer, in der Badewanne seid ihr verwundbar, sagte Tante Lydia. Sie sagte nicht inwiefern.
    Das Bad ist Vorschrift, aber es ist auch ein Luxus. Es ist ein Luxus, allein schon die schweren weißen Flügel und den Schleier abzuheben, ein Luxus schon, mit den Händen das eigene Haar wieder zu spüren. Mein Haar ist jetzt lang, ungeschnitten, wie es ist. Haar muß lang sein, aber bedeckt. Tante Lydia sagte: Paulus sagt, entweder so oder kahl rasiert. Sie lachte, gab ihr unterdrücktes Wiehern von sich,

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