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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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zwischen drei und vier. Sie sagten, es sei eine Zeit der Ruhe und der Medidation. Ich dachte damals, daß sie diese Ruhezeit angesetzt hatten, weil sie für sich selbst etwas Freizeit wollten, eine Pause im Unterricht, und ich weiß, daß die Tanten, die keinen Dienst hatten, ins Lehrerzimmer gingen, auf eine Tasse Kaffee oder was immer sie darunter verstanden. Aber inzwischen glaube ich, daß die Ruhe auch eine Übung war. Sie gaben uns Gelegenheit, uns an nicht ausgefüllte Zeit zu gewöhnen.
    Ein Schläfchen nannte Tante Lydia es in ihrer gezierten Art.
    Das Seltsame war, daß wir die Ruhe brauchten. Viele von uns schliefen tatsächlich. Wir waren müde dort, einen großen Teil der Zeit. Ich glaube, daß wir unter dem Einfluß von irgendwelchen Tabletten oder Drogen standen, die sie uns ins Essen taten, um uns ruhig zu halten. Aber vielleicht auch nicht. Vielleicht war es einfach die Umgebung, in der wir uns befanden. Nach dem ersten Schock, wenn man sich damit abgefunden hatte, war es besser, lethargisch zu sein. Man konnte sich sagen, daß man so Kraft sparte.
    Ich muß drei Wochen dort gewesen sein, als Moira kam. Sie wurde von zwei Tanten in die Turnhalle gebracht, auf die übliche Art und Weise, während wir unseren kurzen Schlaf hielten. Sie hatte noch ihre eigenen Kleider an, Jeans und ein blaues Sweatshirt – ihr Haar war kurz, wie üblich hatte sie sich über die Mode hinweggesetzt –, deshalb erkannte ich sie sofort. Sie sah mich auch, aber sie wandte sich ab, sie wußte schon, was gefährlich und was ungefährlich war. An ihrer linken Wange hatte sie einen blauen Fleck, der sich ins Violette verfärbte. Die Tanten brachten sie zu einem leeren Bett, auf dem schon das rote Kleid ausgebreitet lag. Sie zog sich aus und fing an, sich schweigend wieder anzuziehen, während die Tanten am Fußende des Bettes standen und wir anderen durch einen winzigen Spalt zwischen unseren Augenlidern zusahen. Als sie sich bückte, konnte ich die Höcker an ihrer Wirbelsäule sehen.
    Mehrere Tage lang konnte ich nicht mit ihr sprechen; wir sahen uns nur an, kurze Blicke – es war wie ein Nippen. Freundschaften waren verdächtig, das wußten wir, also mieden wir einander, wenn wir in der Kantine in Schlangen nach Essen anstanden und zwischen den Unterrichtsstunden durch die Flure gingen. Aber am vierten Tag war sie neben mir während des Spaziergangs in Zweierreihen um das Football-Feld herum. Wir bekamen die weißen Flügel erst, als wir unsere Prüfung bestanden hatten, vorerst hatten wir nur die Schleier; so konnten wir reden, solange wir es leise taten und nicht den Kopf drehten, um einander anzusehen. Die Tanten gingen am Kopf und am Ende der Schlange, die einzige Gefahr drohte von den anderen. Einige von ihnen waren Gläubige, und vielleicht meldeten sie uns.
    Das ist hier ja die reinste Klapsmühle, sagte Moira.
    Ich freue mich so, dich zu sehen, sagte ich.
    Wo können wir reden? fragte Moira.
    Toilette, sagte ich. Achte auf die Uhr. Letzte Kabine, halb drei.
    Mehr sprachen wir nicht.
     
    Seit Moira hier ist, fühle ich mich sicherer. Wir dürfen zur Toilette gehen, wenn wir die Hand heben. Die Anzahl der Gänge pro Tag ist allerdings begrenzt, sie notieren sie auf einer Karte. Ich behalte die Uhr im Auge, eine elektrische runde Uhr vorn, über der grünen Tafel. Es wird halb drei während des Zeugnisablegens. Tante Helena ist auch da, ebenso wie Tante Lydia, weil das Zeugnisablegen etwas Besonderes ist. Tante Helena ist dick. Sie hat einst in Iowa eine lokale Gruppe der Weight Watchers geleitet. Sie ist gut im Zeugnisablegen.
    Janine ist an der Reihe. Sie erzählt, wie sie mit vierzehn hintereinander von einer ganzen Gruppe von Jungen vergewaltigt wurde und eine Abtreibung hatte. Letzte Woche hat sie dieselbe Geschichte erzählt. Sie schien fast stolz darauf, während sie davon erzählte. Vielleicht stimmt es ja nicht einmal. Beim Zeugnisablegen ist es ungefährlicher, etwas zu erfinden, als zu sagen, man hätte nichts aufzudecken. Aber bei Janine stimmt es wahrscheinlich mehr oder weniger.
    Aber wessen Schuld war das? fragt Tante Helena und streckt einen dicken Zeigefinger in die Höhe.
    Ihre eigene, ihre eigene, ihre eigene, rufen wir im Chor.
    Wer hat sie verführt? Tante Helena strahlt – sie ist mit uns zufrieden.
    Sie war es. Sie war es. Sie war es.
    Warum hat Gott so etwas Schreckliches zugelassen?
    Damit sie etwas daraus lernt. Damit sie etwas daraus lernt. Damit sie etwas daraus lernt.
    Letzte Woche ist

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