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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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auseinander, meine Arme werden festgehalten, und die Ränder werden schwarz, und nichts ist mehr da, nur ein kleines Fenster, ein sehr kleines Fenster, wie das falsche Ende eines Fernrohrs, wie das Fensterchen auf einem Adventskalender, einem alten, Nacht und Eis draußen, und drinnen eine Kerze, ein strahlender Baum, eine Familie, ich höre sogar die Glocken, Schlittenglöckchen, aus dem Radio, alte Musik, aber durch dieses Fenster sehe ich, klein, aber sehr deutlich, sehe ich sie, wie sie sich von mir entfernt, zwischen den Bäumen hindurch, die sich schon rot und gelb färben, wie sie die Arme nach mir ausstreckt, während sie fortgetragen wird.
     
    Die Glocke weckt mich; und dann Cora, die an meine Tür klopft. Ich setze mich auf, auf dem Teppich, wische mit dem Ärmel über mein nasses Gesicht. Von all den Träumen ist dies der schlimmste.
     

VI
Haushalt

Kapitel vierzehn
    Als die Glocke zu Ende geläutet hat, gehe ich die Treppe hinunter, einen kurzen Moment eine Heimatlose in dem Auge aus Glas, das unten an der Wand hängt. Die Uhr tickt mit ihrem Pendel, immer im selben Takt; meine Füße in ihren adretten roten Schuhen zählen die Stufen nach unten.
    Die Wohnzimmertür steht weit offen. Ich gehe hinein: bisher ist noch niemand anders da. Ich setze mich nicht, sondern nehme kniend meinen Platz ein, neben dem Sessel mit dem Schemel, wo Serena Joy sich in Kürze inthronisieren wird, auf ihren Stock gestützt, während sie sich niederläßt. Möglicherweise wird sie die eine Hand auf meine Schulter legen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Als sei ich ein Möbelstück. Sie hat es schon manchmal getan.
    Das Wohnzimmer wäre früher vielleicht als Salon bezeichnet worden und später als gute Stube. Vielleicht ist es auch ein Besuchszimmer, eines von denen mit Spinne und Fliegen. Jetzt jedoch ist es offiziell ein Wohnzimmer, denn es wird ja darin gewohnt, von einigen jedenfalls. Für andere ist es nur ein Stehzimmer. Die Haltung des Körpers ist wichtig, hier und jetzt: Kleinere Unbehaglichkeiten sind lehrreich.
    Das Wohnzimmer ist kultiviert, symmetrisch; es ist eine der Formen, die Geld annimmt, wenn es erstarrt. Geld ist jahrelang durch dieses Zimmer geflossen, wie durch eine unterirdische Höhle. Es hat sich verkrustet und zu diesen Formen verhärtet, die an Stalaktiten erinnern. Stumm präsentieren sich die unterschiedlichen Oberflächen: der dunkelrote Samt der zugezogenen Vorhänge, der Hochglanz der dazu passenden Stühle aus dem achtzehnten Jahrhundert, der zungenweiche Flor des mit Quasten versehenen chinesischen Teppichs auf dem Fußboden mit seinen pfirsichfarbenen Päonien, das vornehme Leder des Stuhls des Kommandanten, das blinkende Messing an der Truhe daneben.
    Der Teppich ist echt. Einige Gegenstände in diesem Zimmer sind echt, andere nicht. Zum Beispiel zwei Gemälde, Frauenbildnisse, zu beiden Seiten des Kamins. Beide tragen dunkle Kleider, wie auf den Bildern in der alten Kirche, doch aus einer späteren Zeit. Die Gemälde sind möglicherweise echt. Ich vermute, daß Serena Joy sie erwarb, nachdem ihr klar geworden war, daß sie ihre Energien in etwas überzeugend Häusliches würde umleiten müssen, und daß sie die Absicht hatte, die beiden Frauen als Vorfahren auszugeben. Aber vielleicht waren sie auch schon im Haus, als der Kommandant es kaufte. Es gibt keine Möglichkeit, solche Dinge zu erfahren. Wie auch immer, dort hängen sie, mit steifem Rücken und strengem Mund, die Brüste eingeschnürt, die Gesichter verhärmt, die Häubchen gestärkt, grauweiß der Teint, und wachen über das Zimmer mit ihren zusammengekniffenen Augen.
    Zwischen ihnen, über dem Kamin, hängt ein ovaler Spiegel, mit jeweils zwei silbernen Kerzenleuchtern zu beiden Seiten und einem weißen Porzellan-Cupido in der Mitte, der den Arm um den Hals eines Lammes legt. Der Geschmack Serena Joys ist eine sonderbare Mischung: kalte Gier nach Qualität, weiche, sentimentale Sehnsüchte. An beiden Enden des Kaminsimses steht ein Strauß getrockneter Blumen, eine Vase mit echten Narzissen steht auf dem polierten Intarsientischchen neben dem Sofa.
    In dem Zimmer riecht es nach Zitronenöl, nach schwerem Tuch, welkenden Narzissen, nach Essensdüften, die aus der Küche oder vom Eßzimmer herübergezogen sind, und nach Serena Joys Parfüm: Maiglöckchen. Parfüm ist ein Luxus, sie muß eine private Quelle haben. Ich atme es ein, mit dem Gefühl, daß ich dankbar dafür sein sollte. Es ist der Duft pubertierender

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