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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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erhoben; sie hält meine Hände – jede meiner Hände in einer von ihren. Das soll bedeuten, daß wir ein Fleisch sind, ein Wesen. In Wirklichkeit bedeutet es, daß sie damit die Kontrolle hat, über den Vorgang und so auch über das Produkt. Sofern es eins gibt. Die Ringe ihrer linken Hand schneiden in meine Finger. Das mag Rache sein, oder auch nicht.
    Mein roter Rock ist bis zur Taille, jedoch nicht höher, hochgezogen. Weiter unten fickt der Kommandant. Er fickt den unteren Teil meines Körpers. Ich sage nicht, daß er Liebe macht, denn das tut er nicht. Auch das Wort kopulieren wäre ungenau, denn es würde zwei Menschen voraussetzen, und hier ist nur einer beteiligt. Das Wort Vergewaltigung trifft auch nicht zu: hier geschieht nichts, wozu ich mich nicht verpflichtet habe. Viel Auswahl gab es nicht, aber doch eine gewisse, und eben das hier habe ich gewählt.
    Deshalb liege ich still und stelle mir den ungesehenen Baldachin über mir vor. Ich erinnere mich an den Rat, den Königin Victoria ihrer Tochter gab. Schließe die Augen und denke an England. Aber wir sind nicht in England. Wenn er sich doch beeilte!
    Vielleicht bin ich verrückt, und das hier ist eine neue Therapie.
    Ich wünschte, es wäre so, dann würde sich mein Befinden vielleicht bessern, und das hier würde ein Ende haben.
    Serena Joy hält meine Hände so fest, als wäre sie diejenige, nicht ich, die gefickt wird, so als fände sie es entweder lustvoll oder schmerzhaft, und der Kommandant fickt in einem gleichmäßigen Zweivierteltakt, unaufhörlich wie ein tropfender Wasserhahn. Er ist geistesabwesend, wie ein Mann, der unter der Dusche vor sich hinsummt, ohne zu merken, daß er summt; wie einer, der mit anderen Gedanken beschäftigt ist. Es ist, als wäre er woanders und wartete darauf, daß er kommt, und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Ungeduld ist jetzt in seinem Rhythmus. Ist das denn nicht eines jeden Mannes feuchter Traum, zwei Frauen auf einmal? Das sagte man früher immer. Aufregend, sagte man immer.
    Was sich in diesem Zimmer unter Serena Joys silbrigem Baldachin abspielt, ist nicht aufregend. Es hat nichts zu tun mit Leidenschaft oder Liebe oder Liebesabenteuern oder irgendeiner der anderen Vorstellungen, mit denen wir uns früher einen Kitzel verschafften. Es hat auch nichts mit sexuellem Begehren zu tun, jedenfalls nicht für mich, und bestimmt nicht für Serena. Erregung und Orgasmus werden nicht mehr für notwendig erachtet; sie wären nur ein Symptom von Frivolität, wie Reizwäsche oder Schönheitspflästerchen: überflüssige Ablenkungen für die Flatterhaften. Veraltet. Es erscheint seltsam, daß Frauen einst so viel Zeit und Energie darauf verwandten, über solche Dinge zu lesen, an sie zu denken, sich Gedanken darüber zu machen, darüber zu schreiben. Sie dienen so offensichtlich dem bloßen Zeitvertreib.
    Hier geht es nicht um Zeitvertreib, nicht einmal für den Kommandanten. Hier geht es um eine ernste Angelegenheit. Auch der Kommandant tut seine Pflicht.
    Wenn ich die Augen nur einen Spaltbreit öffnete, könnte ich ihn sehen, sein nicht unangenehmes Gesicht, das über meinem Torso hängt, ein paar Strähnen seines silbrigen Haares, die ihm vielleicht in die Stirn fallen, angespannt, konzentriert auf seine innere Reise, auf das Ziel, zu dem er hineilt, und das zurückweicht, wie in einem Traum, mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der er sich ihm nähert. Ich würde seine geöffneten Augen sehen.
    Wenn er besser aussähe, würde es mir dann mehr Spaß machen?
    Zumindest ist er eine Verbesserung gegenüber dem vorherigen, der wie eine Kirchengarderobe bei Regen roch; wie der Mund, wenn der Zahnarzt anfängt, zwischen den Zähnen herumzustochern; wie ein Nasenloch. Der Kommandant riecht statt dessen nach Mottenkugeln – oder ist dieser Geruch eine Strafe in Form eines Rasierwassers? Warum muß er diese alberne Uniform tragen? Aber würde mir sein weißer, mit Büscheln versehener roher Körper besser gefallen?
    Küssen ist zwischen uns verboten. Das macht es erträglich. Man löst sich los. Man beschreibt.
    Endlich kommt er, mit einem erstickten Ächzen – der Erleichterung, wie es scheint. Serena Joy, die den Atem angehalten hat, atmet aus. Der Kommandant, der sich die ganze Zeit auf seine Ellbogen gestützt hat, auf Distanz von unseren vereinigten Körpern, erlaubt sich nicht, auf uns herabzusinken. Er verharrt einen Augenblick, zieht sein Glied zurück, zieht sich zurück, zieht den Reißverschluß zu. Er

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