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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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ein wenig kokett! Eine Andeutung ihrer früheren Bildschirm-Mannequin-Allüren flimmert über ihr Gesicht, wie eine vorübergehende atmosphärische Störung. »Es ist zu heiß dafür, verdammt, findest du nicht?« Und sie nimmt die Wolle von meinen Händen, wo ich sie die ganze Zeit gehalten habe. Dann nimmt sie die Zigarette, mit der sie herumgespielt hat, und drückt sie mir ein wenig ungeschickt in die Hand und schließt meine Finger darum. »Besorg dir ein Streichholz«, sagt sie. »Sie sind in der Küche, du kannst Rita um eins bitten. Du kannst ihr sagen, daß ich es erlaubt habe. Aber nur eins«, fügt sie schelmisch hinzu. »Wir wollen nicht, daß du dir deine Gesundheit ruinierst!«
     

Kapitel zweiunddreißig
    Rita sitzt am Küchentisch. Vor ihr steht eine Glasschüssel mit darin schwimmenden Eiswürfeln. Radieschen, zu Blumen geschnitten, Rosen oder Tulpen, hüpfen darin auf und ab. Auf dem Brettchen vor ihr schneidet sie weitere Blumen mit einem Schälmesser. Ihre großen Hände arbeiten flink und gleichgültig. Ihr übriger Körper bewegt sich nicht, und auch ihr Gesicht nicht. Als vollführte sie diesen Messertrick im Schlaf. Auf der weißen Emaillefläche liegt ein Häufchen Radieschen, gewaschen, aber noch ungeschnitten. Kleine Azteken-Herzen.
    Sie macht sich kaum die Mühe aufzuschauen, als ich hereinkomme. »Hast du alles, he?« sagt sie nur, als ich die Päckchen zu ihrer Begutachtung herausnehme.
    »Könnte ich ein Streichholz haben?« bitte ich sie. Es überrascht mich, wie sehr sie mir das Gefühl vermittelt, ein kleines bettelndes Kind zu sein, nur durch ihr Stirnrunzeln, ihre Stumpfheit: Wie aufdringlich dieses Gewinsel!
    »Streichhölzer?« sagt sie. »Wozu willst du Streichhölzer?«
    »Sie hat gesagt, ich darf eins haben«, sage ich, weil ich nichts von der Zigarette sagen möchte.
    »Wer hat das gesagt?« Sie macht weiter mit den Radieschen, ohne ihren Rhythmus zu ändern. »Hast kein Recht, Streichhölzer zu besitzen. Könntest das Haus niederbrennen.«
    »Du kannst ja hingehen und sie fragen, wenn du willst«, sage ich. »Sie sitzt draußen auf dem Rasen.«
    Rita dreht die Augen zur Decke, als befragte sie stumm eine Gottheit dort oben. Dann seufzt sie, erhebt sich schwerfällig und wischt demonstrativ die Hände an ihrer Schürze ab, um mir zu zeigen, wieviel Umstände ich ihr mache. Sie geht zum Schrank über dem Ausguß, läßt sich viel Zeit, findet endlich ihren Schlüsselbund in ihrer Tasche, schließt die Schranktür auf. »Hab sie hier drinnen, im Sommer«, sagt sie wie zu sich selbst. »Keinen Bedarf an Feuer bei dem Wetter.« Vom April her erinnere ich mich daran, daß gewöhnlich Cora bei kühlem Wetter die Kamine anzündet.
    Die Streichhölzer sind aus Holz, in einer Pappschachtel zum Aufschieben, von der Art, wie ich sie mir als Kind erbat, um Puppenkommoden daraus zu basteln. Sie öffnet die Schachtel, späht hinein, wie um zu entscheiden, welches sie mir geben will. »Ist ja ihre Sache«, murmelt sie. »Die läßt sich ja doch nichts sagen.« Sie senkt ihre große Hand, wählt ein Streichholz und gibt es mir. »Daß du mir ja nichts anzündest«, sagt sie. »Auch nicht die Gardinen in deinem Zimmer. Ist eh schon zu heiß.«
    »Ich hab nichts dergleichen vor«, sage ich. »Dafür ist das Streichholz nicht.«
    Sie läßt sich nicht herab zu fragen, wofür es ist. »Mir doch egal, ob du's runterschluckst oder was«, sagt sie. »Sie hat gesagt du sollst eins haben, also gebe ich dir eins, das ist alles.«
    Sie wendet sich ab und setzt sich wieder an den Tisch. Dann angelt sie einen Eiswürfel aus der Schüssel und steckt ihn sich in den Mund. Das ist ungewöhnlich für sie. Ich habe sie noch nie bei der Arbeit etwas knabbern sehen. »Du kannst auch einen haben«, sagt sie. »Eine Schande, dich mit all diesen Kissenbezügen auf dem Kopf rumlaufen zu lassen, bei diesem Wetter.«
    Ich bin überrascht: normalerweise bietet sie mir nichts an. Vielleicht hat sie das Gefühl, wenn mein Status dermaßen gestiegen ist, daß mir ein Streichholz gegeben wird, daß sie sich dann ihre eigene kleine Geste erlauben darf. Bin ich plötzlich eine von denen geworden, die man bei Laune halten muß?
    »Danke«, sage ich. Ich verstaue das Streichholz sorgfältig in meinem mit Reißverschluß versehenen Ärmel, dort, wo die Zigarette ist, damit es nicht naß wird, und nehme mir einen Eiswürfel. »Die Radieschen sind aber hübsch«, sage ich, als Gegenleistung für das Geschenk, das sie mir aus

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