Der Retuscheur
fühle mich wesentlich besser. Ich fühle mich ganz ausgezeichnet. Putzmunter. Und es ist mir einfach peinlich, dass du so viel Zeit für meine bescheidene Person opferst. Ich habe die Annoncen in der Zeitung durchgesehen. Da gibt es einen ganzen Teil mit Dienstleistungen, die angeboten werden. Zu recht passablen Preisen. Du nimmst kein Geld von mir und gibst, das weiß ich, noch eigenes für mich aus.« Mein Vater begann allmählich die Stimme zu erheben. »So geht das nicht. Ich habe es dir schon einmal gesagt. Aber du machst weiter! Was hast du dir in den Kopf gesetzt?! Wie im Märchen kommt mir das vor! Unmöglich ist das!« Er schrie schon ziemlich laut.
Sie schloss den Kühlschrank, lehnte sich, die Arme vor der Brust verschränkt, dagegen und sah meinen Vater mit leicht ironischem Lächeln an.
Da änderte er seine Taktik:
»Niemand wird dir glauben! Damit kannst du keinem etwas beweisen!«, sagte er langsam, wie ermüdet. »Bestenfalls wird man dich auslachen, wenn nicht in die Klapsmühle stecken.« Schließlich sprang er von seinem Stuhl auf. »Was guckst du so? Na, was guckst du?«, schrie er wieder.
Sie nahm ihre Handtasche vom Stuhl, öffnete sie, nahm ein Kuvert heraus und aus ihm ein paar Fotos.
»Irgendeine!«, sagte sie mit gleichmütiger, wie lebloser Stimme. »Sie können frei wählen. Was macht es Ihnen aus? Wenn es ein Märchen ist, dann spielen Sie mit dem kleinen Mädchen. Sagen wir – diese! Oder – diese! Es kann auch diese sein! Wozu jemandem etwas erzählen? Mag alles unter uns bleiben!«
»Nein!«, schrie mein Vater weiter. »Nein! Du wirst mich nicht dazu bringen! Dieses Spiel ist für mich ausgespielt! Schluss! Schluss, Schluss, Schluss!« Er entriss ihr eines der Fotos, zerriss es und warf die Schnipsel hoch.
»Da siehst du! Da!«, rief mein Vater triumphierend, doch sie nahm ein zweites, ebensolches Foto aus dem Kuvert und trat einen Schritt vor.
Da beschloss mein Vater, einen Herzanfall zu simulieren. Er griff sich an die Brust, begann nach Luft zu schnappen, sank zurück. Sie fing ihn natürlich auf, half ihm ins Zimmer hinüber, setzte ihn in den Sessel, ging Tropfen holen, kam zurück, zählte die Tropfen in ein Glas mit Wasser ab, stellte sich vor meinen Vater, reichte ihm das Glas.
Alles umsonst! Es kommt nichts dabei heraus!, dachte mein Vater bestimmt, nahm mechanisch das Glas und stellte es auf die Armlehne des Sessels.
»Danke, aber besser, du gehst«, sagte er.
»Trinken Sie!« Sie ließ sich vor dem Sessel auf ein Knie nieder: das Erflehen eines Wunders, um sich diese Begabung zunutze machen zu können.
»Ich werde es trinken«, versprach mein Vater. »Nachdem du gegangen bist. Und die Schlüssel da gelassen hast!«
»Trinken Sie!«, wiederholte sie.
Mein Vater schloss die Augen und machte eine schwache Handbewegung, als wolle er sagen: Ich lasse dich gehen, ich bin dir nicht böse, du hast Irrtümer begangen, vermeide sie künftig.
Er hörte ihre Schritte. Dann das Öffnen der Wohnungstür. Die Tür fiel krachend zu. Mein Vater öffnete die Augen. Ihm war völlig klar, dass sie trotz allem wiederkommen würde, sein Gesicht verzerrte sich krampfhaft, und seine Hand presste das Glas immer fester.
»Nein!«, schrie mein Vater mit unnötigem Kraftaufwand. »Nein!« Und er schleuderte das Glas gegen die Wand.
Warum diese Halsstarrigkeit? Lag sie nur daran, dass man ihn jetzt bat, während er früher Befehle ausführen musste oder aus eigenem Antrieb handelte? Auf jeden Fall hätte er mit seiner Zustimmung für meine, seines Sohnes Sicherheit gesorgt. Ja, so war mein Vater, doch hatte er alles dafür getan, damit unsere gemeinsame Gabe – nunmehr kann man das wohl so bezeichnen – in meinen Händen aufs Neue zur Geltung kam.
Gut einen Tag später erzählte er mir dann doch, was ihn bewegte, von seinem Vorgefühl, dass sie wiederkommen werde. Er versuchte sogar, mir zu erklären, was für eine Frau sie war, aber ich hörte nicht zu. Was völlig verständlich ist: Mich beschäftigte, was mit mir selbst geschehen war. Die zwischen ihr, meinem Vater und mir bestehende Verbindung zu erkennen, daran zu glauben, dass die väterliche Gabe jetzt tatsächlich auch die meinige war – nein, nicht erst jetzt, sie war es schon immer gewesen! –, sträubte ich mich, trotz meiner eigenen Entdeckungen und Vermutungen, trotz dieser Andronkina zu guter Letzt!
Sechstes Kapitel
Ob ich beschattet wurde, als ich das Haus meines Vaters verließ? Möglich, aber ich stand
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