Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
ein und fügt ein Attest bei. Der Minister persönlich entscheidet, Gilles Maurel zuerst zu befördern und dann in den Ruhestand zu entlassen. So erhält der für Frankreich Gequälte eine höhere Pension, die ihn ein wenig entschädigen soll.
Von nun an widmet er sich der algerischen Erde seiner französischen Väter. Zwar versucht Premierminister Michel Debre, ihn nach der Wiederwahl de Gaulles 1958 zurück nach Paris zu locken, doch Gilles antwortet noch nicht einmal auf die Depeschen.
*
»LaBrousse hat den Streit mit Ihrem Mann sehr dramatisch dargestellt«, sagte Jacques zu Amadee. »Nachdem Gilles Maurel das Foto von General de Montagnac während Ihres Besuchs bei LaBrousse entdeckt hatte, habe er gedroht, den General umzubringen oder zumindest töten zu lassen. Auch wenn es das Letzte in seinem Leben sei und er jeden Sou für einen Killer ausgeben müsse. Das mag zwar ein Zornesausbruch gewesen sein, aber mich lehrt die Erfahrung: Nichts ist in dieser Welt ausgeschlossen.«
Jacques stellte die Kaffeetasse ab, schaute Amadee mit festem Blick in die Augen, atmete tief durch und fragte: »Wann war Ihr Mann zum letzten Mal in Paris?«
Da lachte Gilles lustige Witwe hell auf: »Mein Mann? Was können Sie von dem schon wollen? Sie glauben doch wohl nicht, dass Gilles mit der Knarre nach Frankreich geflogen ist, um den General umzulegen?«
Sie schüttelte lachend den Kopf, so dass ihre Haare um ihren schönen Kopf flogen.
Jacques zuckte knapp mit den Schultern, schwieg und schaute sie mit Pokergesicht an, was ihm schwer fiel. Aber er rührte sich nicht, hielt die Augen geradeaus auf sie gerichtet, schlug nicht einmal mit den Wimpern und schwieg.
Amadee überlegte sichtlich, welchen Ton sie ihm gegenüber anschlagen sollte, und antwortete ihm dann ernst.
»Gilles hat, wenn ich das richtig im Kopf habe, seit zwanzig oder gar fünfundzwanzig Jahren Martinique nicht verlassen. Solange ich ihn kenne, ist er nicht mehr verreist.«
»Und wie lange kennen Sie ihn?«
»Geheiratet haben wir 1984, ich war damals zwanzig.«
Und Gilles sechsundsiebzig, rechnete Jacques aus, chapeau!
»Aber wir wohnten vorher bestimmt schon zehn Jahre hier, jedenfalls meine Mutter, die war nämlich seine Haushälterin. Ich ging noch in La Trinite ins Lycee und lebte bei meiner Tante Josephine und Onkel Rigobert, Mutters Bruder. Auf die Habitation Alize kam ich nur am Wochenende und in den Ferien.«
»Sie haben Ihren Mann zu jenem Besuch bei LaBrousse begleitet; hat Gilles Ihnen danach erklärt, weshalb er so explodiert ist und gedroht hat, den General umzubringen?«
»Nein. Als ich ihn danach fragte, hat er nur ganz leise geantwortet, alte Zeiten sind alte Zeiten, und die soll man ruhen lassen. Ich glaube, er hatte Tränen in den Augen. Und er fügte nach einem Seufzer hinzu: >Wenn es gelingt.< Dann sind wir schweigend nach Hause gefahren. Ich saß wie immer am Steuer
und habe ganz bewusst nur noch nach vorn geschaut und auf den Weg geachtet, denn ich ahnte ja, was ihn so entsetzlich schmerzte. Als wir angekommen waren, ist er schweigend ausgestiegen und hat sich tagelang in seinem Atelier eingeschlossen und gemalt, und ich habe ihn in Ruhe gelassen.«
»Sie wussten, was geschehen war?«
»Ja. Obwohl Gilles fast nie über sein Leben vor Martinique gesprochen hat. Und es wagte auch niemand nachzubohren.«
»Und woher kennen Sie die Geschichte mit Kadija?« »Mit LaBrousse und dem General?« Jacques nickte.
Auf der Weide wieherte ein Pferd. Er blickte unwillkürlich hin, sie schien es nicht zu hören.
»Loulou hat es mir erzählt. Und als ich Gilles fragte, hat er mir bestätigt, dass es so gewesen war.«
»Und woher konnte Loulou davon wissen?«
»Loulou und ich sind auf das gleiche Lycee gegangen, er ein paar Jahre vor mir. Aber wir kennen uns aus Trinite. Unsere Schule ist nach Frantz Fanon benannt, und so haben die Lehrer seine Gedanken verbreitet, obwohl sie das alles wahrscheinlich nicht sehr ernst nahmen. Denn seit Martinique ein Überseedepartement ist, geht es den Funktionsträgern hier so gut, dass sie sich mindestens einen BMW leisten und ihren ganzen Familienclan bestens aushalten können. In den Überseedepartements erhält nämlich auch jeder Einheimische einen Überseezuschlag, so als sei er vom Mutterland entsandt. Absolut spitze!«
Sie kicherte. Und Jacques dachte, typisch dieser bürokratische Schwachsinn.
»Loulou schloss sich nach der Schule der Befreiungsfront der Antillen an, ein Kinderverein. Die
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