Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
Tourismus, Sonne, Palmen, Busen, war der Doudouisme zum touristischen Klischeebild verkommen. Jacques fühlte sich von dem Kreolen in die Ecke des tumben Parisers gestellt. Das war notiert.
Cesaire lachte. »... und haben die Gewehre abgeholt. Die werden jetzt untersucht. Und von den Fluggesellschaften haben wir noch keine Antwort.«
»Kann ich morgen früh vorbeikommen?«
»Ich habe dir zwar versprochen, so schnell wie möglich zu arbeiten. Aber morgen früh ist Wochenende! Hast du vergessen, dass heute Freitag ist? Wenn du Glück hast - Montagmittag. Salut - es gibt schöne Strande und schöne Frauen auf Martinique.«
Cesaire hatte eingehängt.
Jacques spürte seinen Hunger jetzt deutlicher. Seit dem Frühstück hatte er nichts mehr gegessen. Er hielt den Wagen an einer kleinen Ajoupa am Strand an, ging um die Hütte herum und setzte sich auf eine Bank vor einem groben Holztisch. Er
war der einzige Gast. Ohne nachzudenken, bestellte er ein Lorraine-Bier aus der Gegend und einen Teller Accras, kleine Fischbällchen.
Was wollte er hier eigentlich? Wenn er ehrlich mit sich wäre, müsste er zugeben, dass dieser ganze Ausflug nach Martinique schief lief. Für einen Fall wie diesen müsste man Kriminalist sein, nicht Untersuchungsrichter in Finanzfragen. Die Morde der Bäcker und Metzger, mit denen er bisher zu tun hatte, waren mit diesem Mord nicht zu vergleichen. LaBrousse gehörte in das unfertige Paket »Sotax«, und Gilles Maurel war ein denkbar ungeeigneter Kandidat für eine Mordanklage. Ein Scheißleben. Margaux, die Liebste, seilte sich gerade ab, und daran war er auch ein bisschen Schuld, das müsste er sich selbst gegenüber zugeben. Er hatte es an einem klaren Bekenntnis zu ihr fehlen lassen, aber erst nach drei wilden Monaten. Margaux aber hatte sich auch nicht klar geäußert, er schob einen Teil der Schuld weiter. Und jetzt spielt sie tote Maus, das kannte er von ihr. Sie macht sich rar, damit sein Motor wieder anspringt. Aber das hatte bei ihm nur funktioniert, als er zum ersten Mal verliebt war - mit fünfzehn. In AM.
Er könnte morgen Nachmittag zurückfliegen, er brauchte nicht hier zu bleiben. Dann wäre er am Montag wieder im Büro. Und dann müsste er endlich entscheiden, ob er die Vorladung rausschickt oder nicht. Wenn er es täte, würde die Gerichtspräsidentin ihm eine Standpauke halten, würde ein großer Teil der Presse über ihn herfallen, er würde ins Justizministerium bestellt werden, schließlich müsste der Conseil d'Etat zusammentreten und über die Rechtmäßigkeit seiner Ladung an den Präsidenten entscheiden. Vielleicht wäre dann aber auch alles vorbei, und er könnte die Aktendeckel schließen.
Jacques bestellte sich noch ein Bier. Das Strandlokal wurde von einem jungen kreolischen Paar betrieben, und während die Frau das Bier brachte, schüttete der Mann Holzkohle auf einen
großen, neben der Hütte stehenden Grill und zündete sie an.
»In einer halben Stunde könnten Sie einen gegrillten Hummer essen«, sagte die Frau zu Jacques und stellte die Flasche auf den Tisch.
»Hummer?«
»Ganz frisch, heute Nachmittag erst aus dem Wasser geholt. Und nicht teuer, nicht wie in den Touristenlokalen. Hierher kommen nur Leute aus der Gegend.«
Die Sonne war inzwischen untergegangen, aber der Himmel leuchtete noch hell, die Luft war angenehm warm, und er freute sich auf die zweite Flasche Lorraine. Jacques streckte die Beine von sich und sagte: »Warum nicht einen Hummer.«
Der Tag am Meer hatte ihm gut getan. Er war viel geschwommen, war eingedöst, war lange am Strand entlanggelaufen, über Felsen geklettert und war wieder eingedöst. Die Winterbleiche war einer leichten Bräune gewichen. Die Holzkohle verbreitete einen angenehmen Duft, die Frau zündete Fackeln an, und aus der Küche waren anheimelnde Geräusche zu vernehmen. Nur fünf Tische mit je zwei Bänken zählte Jacques, und je länger er sich hier zurücklehnte, desto wohler fühlte er sich. Das ist eine gute Kneipe, sagte er sich. So könnte man auch leben, er lächelte still vor sich hin und sah plötzlich Cesaire vor sich, wie der sich vor Lachen schüttelte. Ricou als Hummerkoch!
Als die junge Frau sich an die Tür lehnte und aus der Hütte herausschaute, fragte Jacques: »Wie heißen Sie?«
»Medouze. Und du?«
»Jacques.«
Doch bevor er seine Plauderei fortsetzen konnte, kamen zwei Paare und setzten sich. Der Betrieb begann. Neben der Hütte stand ein breiter, viereckiger Klotz, auf den der Koch einen
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