Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte
politische Kommissar entgegen, wir seien jetzt alle gleich und Hierarchien abgeschafft. Ich möge meine bourgeoisen Verhaltensweisen ablegen. Wir müssen helfen, Proviant und Geräte zu tragen, und um mich zu erziehen, lud mir der politische Kommissar einen zweiten Sack Reis auf. Eine unangenehme Anstrengung. Als Eric mir ein wenig von der Last abnehmen wollte, erhielt er einen Schlag mit einem Gewehrkolben in den Rücken.
Freitag, 6. August
Wir sind in einem provisorischen Lager untergebracht und zur Straßenbrigade ernannt worden. Die Soldaten der französischen Armee, darunter Marokkaner, Algerier, auch Senegalesen, erzählen, sie seien nach ihrer Festnahme gezwungen worden, Gräber auszuschaufeln und sich davor hinzuknien, dann sei ihnen von hinten ein Gewehrlauf an den Kopf gedrückt worden. Nur der Politik der Milde von >Spitzbärtchen<, wie die Gefangenen Hö Chi Minh lachend nennen, sei es zu verdanken...
Alle müssen die gleichen Arbeiten verrichten, so bauen wir eine Bambushütte, in der normalerweise zehn Leute
unterkommen würden, wir schlafen darin zu vierzig, so eng aneinander geschmiegt, dass wir uns nachts auf Zuruf alle zur gleichen Zeit umdrehen.
Die Gesichter der Vietnamesen sind undurchdringlich, es gelingt mir nicht, hinter ihre Fassaden zu schauen. Heute sind wir in zwei Gruppen eingeteilt worden, die eine soll morgen damit beginnen, die Schäden an der RC 6 (Route Coloniale Nummer sechs) zu reparieren, die durch Bomben von der französischen Luftwaffe verursacht worden sind, die andere wird losziehen, um unsere Versorgung sicherzustellen. Ich kann mich freiwillig für die Straßenarbeit melden. Das scheint mir leichter, als schwere Reissäcke auf unbequemen Pfaden über weite Strecken durch den heißen Dschungel zu schleppen. Als sich jedoch auch Eric zu meiner Gruppe gesellen will, wird er brutal geschlagen, so dass er zusammenbricht.
Als ich mich um ihn kümmern will, hält mich Bidou, Sergeant des 1. Schützenregiments, vorsichtig zurück. >Machen Sie es nicht noch schlimmer. <
Es gehört wohl zur psychologischen Kriegsführung, uns mürbe zu machen.
Die Straßenbaubrigade
Ende August dürfte es inzwischen sein. Die Hitze lässt sich selbst nachts kaum ertragen. Auch die hohe Luftfeuchtigkeit macht uns zu schaffen. Es gelingt mir nicht mehr, das tägliche Datum festzulegen, mir fehlt der freie Sonntag, um eine neue Woche anzudenken. Ein Tag vergeht wie jeder andere, und die Hoffnung auf eine Befreiung schwindet. Mein Sohn Eric liegt mir, wann immer eine geflüsterte Unterhaltung möglich ist, mit Fluchtgedanken im Ohr. Auch andere denken darüber nach. Lebensgefährlich - meines Erachtens. Drei Tage bin ich ausgefallen wegen Durchfalls und bin jetzt etwas geschwächt,
aber das scheint jeden zu erwischen. Und ich fürchte, die Moskitos könnten uns das Sumpffieber bringen.
Eric kann die Angewohnheit, alles mit Akribie und Genauigkeit auszuführen, nicht ablegen. Er weist die Vietminh auf Fehler beim Einsatz der Straßenbrigade hin, und inzwischen hören sie auf ihn. Das ist vielleicht nicht klug von ihm, denn er hilft dem Feind. Ich habe ihn auf die Genfer Konvention hingewiesen und ihm erklärt, er könne sich ruhig zurückhalten. Er hat genickt. Aber sein freundliches Naturell ist noch zu wenig geschult, um in besonderen Fällen, die er später einmal im Leben bewältigen wird, hart zu bleiben. Zumindest gehören wir jetzt wieder zur gleichen Gruppe. Wir arbeiten jede Nacht, denn die Bomber kommen regelmäßig, um den Nachschubverkehr der Vietminh zu behindern. Die Arbeit ist nicht ungefährlich, denn zu den Bomben, die unsere Flugzeuge abwerfen, gehören auch solche mit Spätzündern, die erst explodieren, wenn eine unachtsam geführte Schaufel sie berührt.
Manchmal müssen wir ein oder zwei Nachtmärsche mit vollem Gepäck hinter uns bringen, um an der Route Provinciale 41 oder der R.P. 20 Bombentrichter zu füllen. Es nutzt nichts, diesen Verstoß gegen alle Konventionen zu rügen. Trotzdem schreibe ich diesen Protest hier nieder: Die Kommunisten halten sich nicht an die Regeln der Menschlichkeit. Wir werden gezwungen, mit dem Arbeitseinsatz gegen die Interessen unserer eigenen Nation zu handeln.
Jeden Morgen, wenn wir von der Arbeit in unser verstecktes Lager zurückkehren, müssen wir nach dem Essen politische Erziehung über uns ergehen lassen. Heute >lernten wir<, Soldaten dürften sich nicht mehr mit Dienstgraden ansprechen. Als ich daraufhin den Namen von
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