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Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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aufmerksam machte. Eric hatte das Gewehr schon im Anschlag und folgte mit dem Lauf dem wirren Flug der Enten, als wir laut in holprigem Französisch angerufen wurden:
    >Rendezvous! Ihr werdet gut behandelt. Ergebt euch!<
    Von drei Seiten wuchsen aus dem Schilf und dem Unterholz im Wald ein gutes Dutzend Viets empor. Eric schaute mich erstaunt an. Ich sagte so ruhig wie möglich, er möge das Gewehr fallen lassen, und legte meines neben mich auf den Boden.
    Sie durchsuchten uns, nahmen mir aber nur die Autoschlüssel und die Brieftasche mit den Papieren ab, dann fesselten sie uns
    die Arme auf den Rücken, was sehr unangenehm war, und führten uns in den Wald, wo wir uns zusammen mit den vietnamesischen Rebellen in eine Senke legen mussten, um die Nacht abzuwarten.
    Wir liefen sechs Stunden lang im Dunkeln auf recht bequemen Pfaden, bis wir heute früh in einem Lager ankamen, wo ein älterer Militär - Rangabzeichen tragen die Vietminh nicht - uns so empfing, als seien wir Besucher auf dem Amt.
    >Ich bin der Kommandant der Einheit, die Sie gefangen genommen hat. Unser politischer Kommissar wird mit Ihnen reden. <
    Der ist sehr jung, wirkt übereifrig und aus Ehrgeiz unbeugsam. Er sprach nur zu mir, wohl wissend, wer ich bin und dass ich als diplomatischer Berater beim Gouverneur in Hanoi eine hohe Position bekleide. Eric nahm er kaum wahr. Der politische Kommissar übergoss mich mit ideologischen Phrasen: Ich sei ein Kolonialist, der Diener französischer Kriegstreiber und amerikanischer Imperialisten, ein unwürdiger Sohn des französischen und ein Feind des vietnamesischen Volkes. Wir gehörten erschossen.
    Ich machte ihn auf die Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen aufmerksam. Doch er schrie: >Die haben wir nicht unterschrieben. Sie verdienen den Tod.<
    Dann aber erklärte er mit glänzenden Augen die Politik der Milde »unseres großen Präsidenten Ho Chi Minh, der uns das Leben lasse, damit wir umerzogen und in Kämpfer für den Frieden verwandelt werden könnten.
    Bis hierhin hatten wir gestanden. Jetzt durften wir uns auf eine Matte setzen, und ich wurde verhört, berief mich jedoch immer wieder auf die Genfer Konvention und verweigerte jede Aussage. Er nahm uns die Uhren ab mit der Bemerkung, Zeit hätte für uns nun keine Bedeutung mehr. Was weiß er!
    Donnerstag, 29. Juli
    Gestern Nacht sind wir wieder sieben Stunden im Dunkeln gelaufen. Jetzt macht es sich bezahlt, dass Eric auf dem Land mit großen Kenntnissen vom Wald aufgewachsen ist, denn selbst zwischen den dschungelartigen Bäumen erkennt er die Himmelsrichtungen. So vermutet er, dass wir in Richtung Südwest in die Berge geführt werden. Eric scheint die Gefangenennahme als eine spannende Unterbrechung des steten Lernens in Eliteschulen anzusehen. Nun ja, sein Unterricht in der X beginnt erst in sechs Wochen. Gestern Nacht flüsterte er mir auf dem Weg zu, ob wir nicht versuchen sollten zu fliehen. Aber da wir hintereinander liefen, war eine Unterhaltung nicht möglich. Abwarten, sagte ich ihm nur. Der Politkommissar wollte mit mir über meine Arbeit in Hanoi sprechen. Ich habe es erneut abgelehnt.
    Freitag, 30. Juli
    Noch eine Nacht sind wir gelaufen. Gut, dass wir kräftige Stiefel für unseren Jagdausflug angezogen hatten. Einmal bin ich unglücklich über eine Baumwurzel gefallen. Mücken und Ameisen können sehr unangenehm sein. Heute früh stießen wir auf eine größere Gruppe mit gefangen genommenen französischen Soldaten, die beim Fall von Moc Chau in die Hände des Vietminh gefallen sind. Wir wissen aus Berichten, was ein längerer Aufenthalt in den Händen der Kommunisten bedeuten kann. Aber ich hoffe, als Zivilist mit meinem Sohn bald freizukommen. Die Regierung in Paris wird sich darum kümmern. Allerdings gebe ich meine Hoffnung nicht zu erkennen.
    Montag, 2. August
    Jede Nacht sind wir sieben Stunden gelaufen. Tagsüber erhalten wir Wasser und ein wenig Reis. Die Bodo'is, die vietnamesischen Soldaten, sprechen entweder nicht Französisch, oder aber sie dürfen sich mit uns nicht unterhalten. Gestern haben wir kein Auge zugemacht, denn wir mussten uns wegen Fliegeralarms mitten im Wald verstecken und wurden von roten Ameisen zerbissen. Man darf sich aber nicht jucken, da sich die Bisswunden entzünden können. Mein Versuch, einen Kommandanten zu sprechen, misslang gründlich. Vielleicht will man mich weich kochen, damit ich mein Wissen mitteile.
    Als ich mich ein wenig erregte, hielt mir der

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