Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
Vom Netzwerk:
Leutnant Grosjean mit Monsieur versah, wurde dieser Begriff als zu kapitalistisch und imperialistisch abgelehnt. Nun benutzen wir das Wort >Hong<, was im Vietnamesischen >Monsieur< heißt. Hong Grosjean spricht zu Hong Maurel.
    Der lange Marsch
    Auch die stärksten Schuhe halten dieses Klima und die Anstrengungen nicht aus. Seit Wochen laufen wir barfuß. Ich hätte gedacht, dass die Füße sich mit der Zeit daran gewöhnen und Hornhaut bilden, doch dem Europäer, seit Hunderten von Jahren an Schuhwerk gewöhnt, will nicht gelingen, was des Vietnamesen Gewohnheit ist: mit nackten Füßen durch den Urwald zu eilen. Wir laufen seit drei Wochen jeden Tag eine Strecke von acht bis zehn Stunden, wir sollen in einem ziemlich weit entfernten Gefangenenlager untergebracht werden. Manch einer hofft dort auf ein besseres Leben.
    Eric hatte das Unglück, sich vor zwei Wochen an einem Stein den großen Zeh zu brechen. Er erhielt keine Behandlung und muss mit uns Tempo halten. Wir beide zockeln manchmal weit hinter der Truppe her. Ich gebe vor, ihm Gesellschaft zu leisten, und kann so ein wenig ausruhen. Denn auch mir fällt das Tempo schwer, weil eine Wunde an der Innenseite meiner rechten Fußsohle vereitert ist und nicht heilen will. Jeder Schritt schmerzt, erst nach einer Weile Laufen fühle ich mich wie betäubt. Abends drücke ich den Eiter aus. Hong Grosjean meint, da helfe nur Ausbrennen.
    Leider hat Eric sich von unseren Soldaten davon überzeugen lassen, mit den Viets zu kooperieren, das erleichtere das Leben. Das heißt kurzfristig denken und ohne Würde, habe ich ihm gesagt. Das mochte er nicht hören und hielt sich einige Tage von mir fern. Das schmerzt mich. Meine Haltung entspricht der, die ihm in der Ecole polytechnique beigebracht worden wäre. Immerhin             untersteht             diese             Schule             dem
    Verteidigungsministerium, die Studenten tragen einen Militärgrad - und werden wie Leutnants besoldet.
    Alle Versuche der wechselnden politischen Kommissare, mich
    zum Reden zu bringen, habe ich abgewehrt. Allerdings fragen sie kaum noch, wohl wissend, dass ich nun, es müsste Ende November sein, schon zu lange in Gefangenschaft bin, um noch wirklich wichtige Pläne zu kennen.
    Uns begegnen Tag und Nacht Kolonnen von Trägern, die Reis und Waffen in den Süden bringen, während wir uns in den Norden bewegen. Manchmal klettern wir hoch, Eric meint, bis zu zweitausend Meter. Dort ist es kühler. Gefahren beim Laufen: selten ein Tiger, häufiger Schlangen, kleine giftige oder vier Meter lange Boas, Moskitos und große Blutegel, die nur mit dem glühenden Ende eines Astes entfernt werden können. Mancher ist zu müde für diese Prozedur und trägt sie einfach mit, bis wir wieder an einem Feuer sitzen.
    Auf thailändischem Gebiet durchqueren wir das Gebiet der Meos, nachdem wir eine Woche vorher bei dem Hmongs waren. Eine längere Rast ist nicht vorgesehen. Kranke werden unterwegs in Dörfern zur Genesung bei Bauern hinterlassen.
    Das Lager am Goldenen Fluss
    Das Gefangenenlager Nr. 13 leitet ein junger Franzose, und das ist der größte Schock. Als wir nach zehnstündigem Weg mehr stolpernd als gehend ankamen, stieg er schweigend auf das Podest am Ende des Lagerplatzes und sah aus seinen kleinen, kaltblauen und tief liegenden Augen auf uns nieder. Er wirkt schmal, zäh und lang. Dunkle Haare, kurz geschoren. Eine große, gekrümmte Nase in einem länglichen Gesicht ohne Mund. Er trägt die graublaue Uniform der Vietminh mit viel zu kurzen Hosen. Seine graubraune Hautfarbe deutet darauf hin, dass er an Sumpffieber leidet - oder Durchfall. Sein Name ist Freddy Bonfort, er stammt aus der Gegend von Lyon, ein französischer Kommunist.
    Bonfort hält uns eine dieser dummen Reden, die leider nicht
    nur die einfachen Soldaten erreicht.
    Und er erklärt, ohne die Miene zu verziehen, das Reglement: Das Ziel sei die Freilassung. Wer sich als gelehriger Schüler bei der ideologischen Schulung zeige, werde auf die Liste der Freizulassenden gesetzt. Doch das Ziel sei schwer zu erreichen. Jeden Abend werden sich die Lagerinsassen versammeln, und jede Hütte wählt einen Helden des Tages - aber auch einen >Scheißkerl<. Das Ergebnis wird dann Bonfort mitgeteilt, der die Liste der Freizulassenden führt. So muss die Gruppe selbst gut und böse definieren und wird zur eigenen Disziplinierung missbraucht. Ich empfehle Eric: >Überwache dein Handeln, denn du wirst überwachte
    Von den

Weitere Kostenlose Bücher