Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte

Titel: Der Richter aus Paris - Eine fast wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
Vom Netzwerk:
Dienstprogramm. Zuerst gab er zweimal ein falsches Kennwort ein, schließlich aber gelang es ihm, sich nach zehnminütigem Fluchen - und einem zweiten kleinen Fingerbreit Whisky im Glas - in seinen Büroserver einzuloggen. Er ging Archiv für Archiv durch, und nach einer halben Stunde wurde er fündig. Es gab einen einzigen kleinen Eintrag: »Freddy Bonfort, geb. 1926, Professor für Indochinakunde in Lyon, wurde am 12. Oktober 1974 auf dem Balkon seiner Wohnung mit einem einzigen Gewehrschuss mitten ins Herz getötet. Gründe unbekannt. Keine auffälligen Bekanntschaften, kein Verkehr in verdächtigen Kreisen. Offener Fall. Polizeidirektion Lyon. Aktenzeichen...«
    Um halb fünf ging Jacques ins Bett, stellte den Wecker auf halb zehn und schlief sofort tief ein.
Die Vorladung
    Die Zeitungen brachten den Abhörskandal um den Untersuchungsrichter Jacques Ricou auf der ersten Seite. Und selbst in Blättern wie dem »Figaro« wurde nicht mit Verdächtigungen und Anspielungen auf die Renseignements Generaux gespart, obwohl der Pressesprecher des Innenministeriums ein »formelles Dementi« herausgegeben hatte.
    Jacques war erstaunt, die Sekretärin der Gerichtspräsidentin am Wochenende im Vorzimmer vorzufinden, doch sie strahlte ihn an und sagte: »Ich habe Sie gestern in den Fernsehnachrichten gesehen. Sie sind ja eine richtige Berühmtheit. Trotzdem müssen Sie noch einen Augenblick warten.«
    Jacques erwiderte lachend: »Gott, ich habe ganz vergessen, gestern auch noch die Glotze anzumachen. Mir reicht schon, was heute in den Zeitungen steht. Aber was machen Sie denn am heiligen Wochenende hier?«
    »Die Präsidentin hat mich gebeten zu kommen, weil sie einen Vorschlag über die Neuordnung der Zuständigkeiten der einzelnen Kammern für das Ministerium ausarbeiten muss. Und da ich sowieso nichts vorhabe - Geld fürs Shopping habe ich keins, und mein Freund hat mich sitzen lassen -, bin ich lieber hierher gekommen.«
    Dabei sieht sie ganz nett aus, dachte Jacques, elegante Figur, schlank, wo Französinnen sonst gewichtig sind, lange Beine, ein gepflegtes, schmales Gesicht.
    Ein Schnarren ertönte auf ihrem Schreibtisch, sie hob das Telefon ab, die Präsidentin ließ bitten.
    Wieder kam Marie Gastaud ihm auf der Hälfte des Raumes entgegen, wieder setzte sie sich mit dem Rücken zum Fenster.
    »Ich habe gestern mit dem Minister persönlich gesprochen«, sagte sie, nachdem Jacques ihr alles berichtet hatte. »Er hat sich am Telefon ziemlich aufgeregt und will den Vorfall am Montag im Ministerrat im Elysee vorbringen. Das kann allerdings eine heikle Angelegenheit werden, weil der Präsident dem Rat vorsitzt und weiß, welches Damoklesschwert Sie über ihn halten.«
    »Und es wird noch heikler«, sagte Jacques mit unbewegter Miene, »weil am Montag früh ein Gerichtsvollzieher im Elysee eine Vorladung beim Präsidenten abgeben wird.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch, hielt sie zwei Sekunden oben und versuchte dann, ein Pokergesicht zu machen. Durch die Fensterscheiben drang der Lärm der Straße in den Raum, während die gepolsterte Tür zum Sekretariat jedes Geräusch aus dem Gebäude verschluckte. Jetzt fehlt nur noch das leise Ticken einer Uhr, ging es Jacques durch den Kopf.
    »Haben Sie die Vorladung schon ausgestellt?«
    »Nein, das mache ich morgen.«
    »Und wie laden Sie den Präsidenten vor?«
    »Als Zeugen, nicht als Beschuldigten. Sonst würde er geltend machen, ein Präsident könne nur wegen Hochverrats vom Kongress angeklagt werden. Diese Ausrede will ich ihm nicht gönnen.«
    »Ich werde den Justizminister Montag früh anrufen und ihn informieren, bevor er ins Elysee fährt. Das gehört sich so. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, falls es eine Änderung in Ihrem Programm geben sollte.«
    »Ich sehe nicht, dass noch etwas dazwischen kommen könnte.«
    Plötzlich stützte sich die Gerichtspräsidentin auf den
    Konferenztisch, rutschte nach vorn und sagte in kämpferischem Ton an: »Sonntagnacht wird Ihr Büro auf Abhöranlagen untersucht. Ich habe den Auftrag gestern Nachmittag durchgegeben. Wenn bei Ihnen zu Hause abgehört wird, dann könnte das Gleiche hier passieren, und das werden wir nicht dulden. Ich habe gestern noch spät eine ganze Reihe von Telefonaten geführt, unter anderem mit dem Polizeipräfekten, und was ich erfahren habe, beunruhigt mich sehr. Ich würde Ihnen raten, Acht zu geben. Vielleicht sollten Sie im Augenblick auch Ihre Wohnung meiden.«
    »Wer mir etwas antun will, der kann mich

Weitere Kostenlose Bücher