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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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mich. Ich hielt die kühne Wette, in deiner Gegenwart ein Verbrechen zu begehen, ohne daß du imstande sein würdest, mir dieses Verbrechen beweisen zu können.«

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    »Nach drei Tagen«, sagte der Alte leise und versunken in seiner Erinnerung, »wie wir mit einem deutschen Kaufmann über die Mahmud-Brücke gingen, hast du ihn vor meinen Augen ins Wasser gestoßen.«
    »Der arme Kerl konnte nicht schwimmen, und auch du warst in dieser Kunst so ungenügend be-wandert, daß man dich nach deinem verunglückten Rettungsversuch halb ert runken aus den
    schmutzigen Wellen des Goldenen Hornes ans Land zog«, antwortete der andere unerschütterlich.
    »Der Mord trug sich an einem strahlenden
    türkischen Sommertag bei einer angenehmen Brise vom Meere her auf einer belebten Brücke in aller Öffentlichkeit zwischen Liebespaaren der europä-
    ischen Kolonie, Muselmännern und ortsansässigen Bettlern zu, und trotzdem konntest du mir nichts beweisen. Du ließest mich verhaften, umsonst.
    Stundenlange Verhöre, nutzlos. Das Gericht glaubte meiner Version, die auf Selbstmord des Kaufmanns lautete.«
    »Du konntest nachweisen, daß der Kaufmann vor dem Konkurs stand und sich durch einen Be -
    trug vergeblich hatte retten wollen«, gab der Alte bitter zu, bleicher als sonst.
    »Ich wählte mir mein Opfer sorgfältig aus, mein Freund«, lachte der andere.
    »So bist du ein Verbrecher geworden«, antwortete der Kommissär.

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    Der andere spielte gedankenverloren mit dem türkischen Messer.
    »Daß ich so etwas Ähnliches wie ein Verbrecher bin, kann ich nun nicht gerade ableugnen«, sagte er endlich nachlässig. »Ich wurde ein immer besserer Verbrecher und du ein immer besserer Kriminalist: Den Schritt jedoch, den ich dir voraus hatte, konntest du nie einholen. Immer wieder tauchte ich in deiner Laufbahn auf wie ein graues Gespenst, immer wieder trieb mich die Lust, unter deiner Nase sozusagen immer kühnere, wildere,
    blasphemischere Verbrechen zu begehen, und immer wieder bist du nicht imstande gewesen, meine Taten zu beweisen. Die Dummköpfe konntest du besiegen, aber ich besiegte dich.«
    Dann fuhr er fort, den Alten aufmerksam und wie belustigt beobachtend: »So lebten wir denn.
    Du ein Leben unter deinen Vorgesetzten, in deinen Polizeirevieren und muffigen Amtsstuben, immer brav eine Sprosse um die andere auf der Leiter deiner bescheidenen Erfolge erklimmend, dich mit Dieben und Fälschern herumschlagend, mit armen Schluckern, die nie recht ins Leben kamen, und mit armseligen Mörderchen, wenn es hochkam; ich dagegen bald im Dunkeln, im Dickicht verlorener Großstädte, bald im Lichte glänzender Positionen, ordenübersät, aus Übermut das Gute übend, wenn ich Lust dazu hatte, und wieder aus einer anderen Laune heraus das Schlechte liebend.

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    Welch ein abenteuerlicher Spaß! Deine Sehnsucht war, mein Leben zu zerstören, und meine war es, mein Leben dir zum Trotz zu behaupten. Wahrlich, eine Nacht kettete uns beide für ewig zusammen!«
    Der Mann hinter Bärlachs Schreibtisch klatschte in die Hände, es war ein einziger, grausamer Schlag: »Nun sind wir am Ende unserer Laufbahn«, rief er aus. »Du bis t in dein Bern zurückgekehrt, halb gescheitert, in diese verschlafene, biedere Stadt, von der man nie recht weiß, wie viel Totes und wie viel Lebendiges eigentlich noch an ihr ist, und ich nach Lamboing zurückgekommen, auch dies nur aus einer Laune heraus: Man rundet gern ab, denn in diesem gottverlassenen Dorf hat mich irgendein langst verscharrtes Weib einmal geboren, ohne viel zu denken und reichlich sinnlos, und so habe ich mich denn auch, dreizehnjährig, in einer Regennacht fortgestohlen. Da sind wir nun also wieder. Gib es auf, Freund, es hat keinen Sinn.
    Der Tod wartet nicht.«
    Und jetzt warf er, mit einer fast unmerklichen Bewegung der Hand, das Messer, genau und scharf Bärlachs Wange streifend, tief in den Lehnstuhl.
    Der Alte rührte sich nicht. Der andere lachte:
    »Du glaubst nun also, ich hatte diesen Schmied getötet?«
    »Ich habe diesen Fall zu untersuchen«, antwortete der Kommissär.

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    Der andere stand auf und nahm die Mappe zu sich.
    »Die nehme ich mit.«
    »Einmal wird es mir gelingen, deine Verbrechen zu beweisen«, sagte nun Bärlach zum zweiten Male: »Und jetzt ist die letzte Gelegenheit.«
    »In der Mappe sind die einzigen, wenn auch dürftigen Beweise, die Schmied in Lamboing für dich gesammelt hat. Ohne diese Mappe bist du verloren. Abschriften oder Fotokopien besitzest du nicht,

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