Der Richter und sein Henker - Der Verdacht
etwas unterhalten.« Der Schriftsteller brummte, Bärlach setzte wieder an: »Sie verkehren viel mit Gastmann?«
»Hin und wieder.«
»Warum?«
Der Alte erwartete jetzt wieder eine böse Antwort; doch der Schriftsteller lachte nur, blies den beiden ganze Schwaden von Zigarettenrauch ins Gesicht und sagte:
»Ein interessanter Mensch, dieser Gastmann, 94
Kommissär, so einer lockt die Schriftsteller wie Fliegen an. Er kann herrlich kochen, wundervoll, hören Sie!«
Und nun fing der Schriftsteller an, über Gastmanns Kochkunst zu reden, ein Gericht nach dem ändern zu beschreiben. Fünf Minuten hörten die beiden zu, und dann noch einmal fünf Minuten; als der Schriftsteller jedoch nun schon eine Viertel-stunde von Gastmanns Kochkunst geredet hatte und von nichts anderem als von Gastmanns Kochkunst, stand Tschanz auf und sagte, sie seien leider nicht der Kochkunst zuliebe gekommen, aber Bärlach widersprach, ganz frisch geworden, das interessiere ihn, und nun fing Bärlach auch an. Der Alte lebte auf und erzählte nun seinerseits von der Kochkunst der Türken, der Rumänen, der
Bulgaren, der Jugoslawen, der Tschechen, die beiden warfen sich Gerichte wie Fangbälle zu.
Tschanz schwitzte und fluchte innerlich. Die beiden waren von der Kochkunst nicht mehr abzu-bringen, aber endlich, nach dreiviertel Stunden, hielten sie ganz erschöpft, wie nach einer langen Mahlzeit, inne. Der Schriftsteller zündete sich eine Zigarre an. Es war still. Nebenan begann das Kind wieder zu schreien. Unten bellte der Hund. Da sagte Tschanz ganz plötzlich ins Zimmer hinein:
»Hat Gastmann den Schmied getötet?«
Die Frage war primitiv, der Alte schüttelte den 95
Kopf, und die dunkle Masse vor ihnen sagte: »Sie gehen wirklich aufs Ganze.«
»Ich bitte zu antworten«, sagte Tschanz entschlossen und beugte sich vor, doch blieb das Ge -
sicht des Schriftstellers unerkennbar.
Bärlach war neugierig, wie nun wohl der Ge -
fragte reagieren würde.
Der Schriftsteller blieb ruhig.
»Wann ist denn der Polizist getötet worden?«
fragte er.
Dies sei nach Mitternacht gewesen, antwortete Tschanz.
Ob die Gesetze der Logik auch auf der Polizei Gültigkeit hätten, wisse er natürlich nicht, entgegnete der Schriftsteller, und er zweifle sehr daran, doch da er — wie die Polizei ja in ihrem Fleiß festgestellt hätte — um halb eins auf der Straße nach Schernelz dem Bannwart begegnet sei und sich demnach kaum zehn Minuten vorher von Gastmann verabschiedet haben müsse, könne Gastmann offenbar doch nicht gut der Mörder sein.
Tschanz wollte weiter wissen, ob noch andere Mitglieder der Gesellschaft um diese Zeit bei Gastmann gewesen seien.
Der Schriftsteller verneinte die Frage.
»Verabschiedete sich Schmied mit den ändern?«
»Doktor Prantl pflegte sich stets als Zweitletzter zu empfehlen«, antwortete der Schriftsteller nicht ohne Spott.
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»Und als Letzter?«
»Ich.«
Tschanz ließ nicht locker: »Waren beide Diener zugegen?«
»Ich weiß es nicht.«
Tschanz wollte wissen, warum nicht eine klare Antwort gegeben werden könne.
Er denke, die Antwort sei klar genug, schnauzte ihn der Schriftsteller an. Diener dieser Sorte pflege er nie zu beachten.
Ob Gastmann ein guter Mensch oder ein
schlechter sei, fragte Tschanz mit einer Art Verzweiflung und einer Hemmungslosigkeit, die den Kommissär wie auf glühenden Kohlen sitzen ließ.
»Wenn wir nicht in den nächsten Roman kommen, ist es das reinste Wunder«, dachte er.
Der Schriftsteller blies Tschanz eine solche Rauchwolke ins Gesicht, daß der husten mußte, auch blieb es lange still im Zimmer, nicht einmal das Kind Körte man mehr schreien.
»Gastmann ist ein schlechter Mensch«, sagte endlich der Schriftsteller.
»Und trotzdem besuchen Sie ihn Öfters und nur, weil er gut kocht?« fragte Tschanz nach einem neuen Hustenanfall empört.
»Nur.«
»Das verstehe ich nicht.«
Der Schriftsteller lachte. Er sei eben auch eine Art Polizist, sagte er, aber ohne Macht, ohne 97
Staat, ohne Gesetz und ohne Gefängnis hinter sich.
Es sei auch sein Beruf, den Menschen auf die Finger zu sehen.
Tschanz schwieg verwirrt, und Bärlach sagte:
»Ich verstehe« und dann, nach einer Weile, als die Sonne im Fenster erlosch:
»Nun hat uns mein Untergebener Tschanz«,
sagte der Kommissär, »mit seinem übertriebenen Eifer in einen Engpaß hineingetrieben, aus dem ich mich wohl kaum mehr werde herausfinden
können, ohne Haare zulassen. Aber die Jugend hat auch etwas Gutes,
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