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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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mit Emmenberger befreundet gewesen?«
    »Nein«, antwortete Hungertobel, »das nicht, und soviel ich weiß, niemand von uns, die mit ihm studierten. Ich habe immer wieder über den Vorfall mit dem Bild im >Life< nachgedacht, Hans, und ich will dir sagen, warum es mir passierte, dieses Scheusal von einem. SS-Arzt für Emmenberger zu halten; du hast dir gewiß darüber auch Gedanken gemacht. Viel sieht man ja nicht auf dem Bild, und die Verwechslung muß von etwas anderem als von einer Ähnlichkeit kommen, die sicher auch da ist.
    Ich habe schon lange n icht mehr an die
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    Geschichte gedacht, nicht nur, weil sie weit zu-rückliegt, sondern noch mehr, weil sie scheußlich war; und man liebt es, Geschichten zu vergessen, die einem widerwärtig sind. Ich war einmal dabei, Hans, als Emmenberger einen Eingriff ohne Narkose ausführte, und das war für mich wie eine Szene, die in der Hölle vorkommen könnte, wenn es eine gibt.«
    »Es gibt eine«, antwortete Bärlach ruhig. »Emmenberger hat also so etwas schon einmal gemacht?«
    »Siehst du«, sagte der Arzt, »es gab damals keinen anderen Ausweg, und der arme Kerl, an dem der Eingriff unternommen werden mußte, lebt noch jetzt. Wenn du ihn siehst, wird er bei allen Heiligen schwören, Emmenberger sei ein Teufel, und das ist ungerecht, denn ohne Emmenberger wäre er nun tot. Doch, offen gestanden, ich kann ihn begreifen.
    Es war entsetzlich.«
    »Wie kam denn das?« fragte Bärlach gespannt.
    Hungertobel nahm den letzten Schluck aus seiner Tasse und mußte seine »Little-Rose« noch einmal anzünden. »Eine Zauberei war es nicht, um ehrlich zu sein. Wie in allen Berufen gibt's auch im unsrigen keine Zaubereien. Es brauchte nicht mehr dazu als ein Taschenmesser und Mut, auch, natürlich, Kenntnis der Anatomie. Aber wer von uns jungen Studenten besaß die nötige
    Geistesgegenwart schon?
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    Wir waren, etwa fünf Mediziner, vom Kiental aus ins Blümlisalpmassiv gestiegen; wo wir hin wollten, weiß ich nicht mehr, ich bin nie ein großer Bergsteiger gewesen und ein noch schlechterer Geograph. Ich schätze, es war so um das Jahr 1908
    herum im Juli, und es war ein heißer Sommer, das ist mir noch deutlich. Übernachtet haben wir auf einer Alp in einer Hütte. Es ist merkwürdig, daß mir vor allem diese Hütte geblieben ist. Ja, manchmal träume ich noch von ihr und schrecke dann schweißgebadet auf; aber eigentlich, ohne dabei an das zu denken, was sich in ihr abspielte. Sicher wird sie nicht anders gewesen sein, als nun eben die Alphütten sind, die den Winter über leer stehen, und das Schreckliche ist allein in meiner Phantasie.
    Daß dies der Fall sein mu ß, glaube ich daran zu erkennen, weil ich sie immer mit feuchtem Moos überwachsen vor mir sehe, und das sieht man doch an Alphütten nicht, scheint mir. Man liest oft von Schinderhütten, ohne recht zu wissen, was dies eigentlich sein soll. Nun, unter einer Schinderhütte stelle ich mir so etwas wie diese Alphütte vor.
    Föhren standen um sie herum und ein Brunnen nicht weit von ihrer Türe. Auch war das Holz dieser Hütte nicht schwarz, sondern weißlich und faulig, und überall in den Ritzen waren
    Schwämme, doch kann auch das nur eine
    nachträgliche Einbildung sein; die Jahre liegen in einer so großen Anzahl zwi-175
    schen heute und diesem Vorfall, daß Traum und Wirklichkeit unentwirrbar ineinander verwoben sind. An eine unerklärliche Furcht erinnere ich mich jedoch noch bestimmt. Sie befiel mich, als wir uns der Hütte über eine mit Felstrümmern übersäte Alp her näherten, die jenen Sommer nicht benutzt wurde und in deren Mulde das Gebäude lag. Ich bin überzeugt, daß diese Furcht alle überfiel, Emmenberger vielleicht ausgenommen.
    Die Gespräche hörten auf, und jeder schwieg. Der Abend, der hereinbrach, bevor wir noch die Hütte erreichten, war um so schauerlicher, als eine, wie es schien, unerträgliche Zeitspanne lang ein seltsames tiefrotes Licht über dieser
    menschenleeren Welt von Eis und Stein lag; eine tödliche, außerirdische Beleuchtung, die unsere Gesichter und Hände verfärbte, wie sie auf einem Planeten herrschen muß, der sich weiter von der Sonne entfernt bewegt als der unsrige. So waren wir denn wie gehetzt ins Innere der Hütte gedrungen. Dies war leicht; denn die Türe war unverschlossen. Schon im Kiental hatte man uns gesagt, daß man in dieser Hütte übernachten könne. Der Innenraum war erbärmlich und nichts vorhanden als einige Pritschen. Doch bemerkten wir im schwachen

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