Der Richter und sein Henker (German Edition)
Tessenberges wohnt und Gesellschaften gibt, die einem Polizeileutnant das Leben gekostet haben. Ich sollte wissen, ob das Bild, das Sie mir gezeigt haben, das Bild Gastmanns ist oder jenes Ihrer Träume.‹
›Unserer Träume‹, sagte der Schriftsteller.«
Dürrenmatts Kriminalgeschichten gehören zu den gelungensten Beispielen dieser Gattung in unserer Zeit, weil hier ein begabter Schriftsteller Bescheidung geübt und auf einem beschränkten Gebiet etwas Tüchtiges geleistet hat.
Aus: ›Weltstimmen‹, Stuttgart, Januar 1954
Verfilmungen
1957, sieben Jahre nach Erscheinen des Romans im ›Schweizerischen Beobachter‹, drehte das deutsche Fernsehen nach Der Richter und sein Henker seinen ersten abendfüllenden Spielfilm. Erstsendung 7. 9. 1957, Süddeutscher Rundfunk. Drehbuch: Hans Gottschalk, Franz-Peter Wirth und Friedrich Dürrenmatt. Kamera: Fritz Moser. Musik: Rolf Unkel. Mit Karl-Georg Saebisch (Kommissär Bärlach), Robert Meyn (Gastmann), Herbert Thiede (Tschanz), Peter Lühr (Dr. Lutz) und Maria Körber (Anna) in den Hauptrollen.
Fast zwanzig Jahre später, 1976, folgte die Kinoverfilmung, in der Regie von Maximilian Schell. Der Film wurde im gleichen Jahr am Internationalen Filmfestival von San Sebastian mit der Silbernen Muschel ausgezeichnet. Drehbuch: Maximilian Schell und Friedrich Dürrenmatt. Produktion: MFG Film, München, und P.R.A.C., Rom. Kamera: Ennio Guarneri, Roberto Gerardi und Klaus König. Mit Martin Ritt (Kommissär Bärlach), Robert Shaw (Gastmann), Jon Voight (Tschanz), Friedrich Dürrenmatt (Schriftsteller Friedrich), Jacqueline Bisset (Anna), Helmut Qualtinger (Nationalrat von Schwendi), Gabriele Ferzetti (Dr. Lutz), Donald Sutherland (Schmied) und Pinchas Zukerman (Geiger) in den Hauptrollen.
Aufsätze und Interpretationen
Requiem auf den Kriminalroman
von Peter Rüedi
Zur Entstehungsgeschichte
Es gibt in Dürrenmatts Werk nicht grundsätzlich wichtigere und weniger wichtige Gattungen. Daß es sich bei den sogenannten Kriminalromanen um Nebenwerke handle, ist eine Ansicht, hinter der ich die Rache der Germanistik vermute: Dafür, daß Dürrenmatt mit vollem Bewußtsein gegen das anschrieb, was (damals) allein als Kunstwerk zugelassen war. Die Kriminalromane sind im Hinblick auf Dürrenmatts Ästhetik geradezu Schlüsselwerke. Die scheinbare Trivialität als Trick: In ihrer Brechung wird, nicht anders als in den parallel zu ihnen entstandenen Stücken, das Verhältnis von Mythos und Gegenwart zum Thema (wie die trivialen Formen überhaupt der Bereich sind, in denen die Mythen im zwanzigsten Jahrhundert überwintert haben).
Am deutlichsten in Das Versprechen, aber auch schon in den Vorgängern Der Verdacht und Der Richter und sein Henker, vollends aber in der kaum mehr als »Kriminalroman« zu bezeichnenden Geschichte Die Panne werden Grundfragen verhandelt: u. a. das Verhältnis von Kunst und Realität. Daß der nur auf eine spannende Story erpichte Leser davon nichts merkt, spricht für Dürrenmätts Kunst. Sie ist auf mehreren Ebenen zu lesen und funktioniert auf jeder.
Die beiden Romane, die 1950–1952, als Fortsetzung von Ausgabe zu Ausgabe fortgeschrieben, im Auftrag des ›Beobachters‹ entstanden, Der Richter und sein Henker und Der Verdacht waren zwar auch Brotarbeiten. Als er mit den Fr. 500.– Vorschuß nach Hause kam, glaubte Lotti Dürrenmatt, ihr Mann hätte das Geld gestohlen. Dürrenmatt, scheint es, brauchte das Idyll, um es zu stören, zu widerlegen, zu entlarven, zu sprengen. Das gilt für die Schweiz insgesamt, im engeren Sinn aber auch für das, was in Peter Wyrschs › FD -Story‹ Rückzug in die Reben heißt: die Rückkehr »à la nature«, wie die Schernelz zu Füßen liegende Petersinsel nahelegt.
Vor dem Einklang in der Idylle am Bielersee bewahrte ihn zunächst – so erfahren wir in den Stoffen ( Labyrinth. Stoffe I–III , ›Mondfinsternis‹) – ein regnerischer Sommer:
»Damals war der Sommer regnerisch gewesen, mehr: eine Einübung in die Sintflut; die Pyramide des Turnvereins am 1. August unten im Dorf verschwand in den Regenwolken, die Raketen verzischten in den Wolkenbrüchen. Im Herbst ein Sonntag so über jede Vorstellung leuchtend, daß ich wußte, von nun an käme endgültig scheußliches Wetter, was dann eintraf. Der Wein fiel gotteslästerlich aus, die Bauern halfen mit Traubenzucker nach, zentnerweise, das Gesöff wurde nicht besser, es jagte einen aus den Schuhen. Zwischen all dem verwässerten Jammer wir: meine
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