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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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hinterlassen.«
    »Möglicherweise wollte er mich noch einmal nachdrücklich einschüchtern.«
    Sie dachten darüber nach. Harry Rex aß seine Tamales auf, dann sagte er: »Du hättest es mir erzählen sollen.«
    »Ich wollte das Geld behalten, okay? Ich hatte drei Millionen Dollar in bar in meinen verschwitzten, kleinen Händchen, und das war ein fantastisches Gefühl. Besser als Sex, besser als irgendetwas, das ich je erlebt hatte.
    Drei Millionen Dollar, Harry Rex, und alles gehörte mir. Ich war reich. Ich war gierig. Ich war korrupt. Ich wollte nicht, dass du oder Forrest oder die Behörden erfuhren, dass ich das Geld hatte.«
    »Was wolltest du damit tun?«
    »Es nach und nach bei einem Dutzend Banken hinterlegen. Immer nur neuntausend Dollar und keine Papiere, die die Behörden auf den Plan gerufen hätten. Nachdem ich achtzehn Monate lang einbezahlt hätte, wollte ich es von einem Profi investieren lassen. Ich bin dreiundvierzig, in zwei Jahren wäre das Geld sauber gewesen und hätte saftige Erträge gebracht. Alle fünf Jahre hätte es sich verdoppelt. Mit fünfzig hätte ich sechs Millionen gehabt, mit fünfundfünfzig zwölf und mit sechzig vierundzwanzig Millionen. Ich hatte alles geplant, Harry Rex, ich sah die Zukunft genau vor mir.«
    »Hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Was du getan hast, war völlig normal.«
    »Kommt mir nicht so vor.«
    »Du bist ein miserabler Gangster.«
    »Ich habe mich wirklich miserabel gefühlt, und meine Persönlichkeit veränderte sich bereits. Ich sah mich in einem Flugzeug und einem noch schickeren Sportwagen und einer schöneren Wohnung. In Charlottesville gibt es eine Menge Leute mit Geld, und ich überlegte mir, wie es wäre, zu den oberen Zehntausend zu gehören. Country-Klubs, Fuchsjagden .. «
    »Fuchsjagden?«
    »Ja.«
    »In Kniebundhosen und mit so einem komischen Hut auf dem Kopf?«
    »Auf einem prächtigen Pferd über die Zäune fliegen, hinter einem Rudel Jagdhunde her, das einen Dreizehn-Kilo-Fuchs jagt, den man nie zu Gesicht bekommt.«
    »Das hättest du gern gemacht? Warum?«
    »Ja, warum eigentlich?«
    »Da halte ich mich lieber an die Vogeljagd.«

    »Aber irgendwie war es buchstäblich eine Last. Ich meine, schließlich habe ich das Geld wochenlang herumgeschleppt.«
    »Du hättest etwas davon in meinem Büro lassen können.«
    Ray aß den letzten Bissen seiner Tamales und trank einen Schluck Cola.
    »Du hältst mich für dumm, was?«
    »Nein, für einen Glückspilz. Diese Burschen meinen es ernst.«
    »Jedes Mal wenn ich die Augen schloss, sah ich eine Kugel auf meine Stirn zurasen.«
    »Hör mal, Ray, du hast nichts Falsches getan. Der Richter wollte das Geld nicht in den Nachlass aufnehmen. Du hast es genommen, weil du dachtest, du könntest so sein Erbe und seinen Ruf schützen. Irgendein Verrückter wollte es mehr als du. Zurückblickend hast du Glück gehabt, dass dir bei der Sache nichts passiert ist. Vergiss das Ganze einfach.«
    »Danke, Harry Rex.« Ray beugte sich vor und sah dem Mann von der freiwilligen Feuerwehr nach, der davonging. »Was ist mit dem Vorwurf der Brandstiftung?«
    »Das regeln wir schon. Ich melde einen Anspruch an. Die Versicherungsgesellschaft wird Brandstiftung vermuten und die Ermittlungen aufnehmen. Die Sache wird hässlich. Wir lassen ein paar Monate vergehen, und wenn sie dann nicht zahlen, verklagen wir sie in Ford County. Sie werden es nicht wagen, vor einer Jury in Reuben Atlees eigenem Gericht gegen seine Erben zu klagen. Vermutlich werden sie vor Prozessbeginn einen Vergleich abschließen. Vielleicht werden wir uns auf einen Kompromiss einlassen müssen, aber wir werden ein nettes Sümmchen herausholen.«
    Ray hatte sich erhoben. »Ich will jetzt nach Hause.«
    Die Luft war schwer von Hitze und Rauch, als sie um das Haus herum-gingen. »Mir reicht’s nämlich«, sagte Ray und ging auf die Straße zu.

    Als er die Bottoms diesmal durchquerte, fuhr er keinen Moment schneller als die vorgeschriebenen neunzig Stundenkilometer, auch wenn Elmer Conway nirgends zu entdecken war. Mit leerem Kofferraum wirkte der Audi leichter. Das Leben selbst schien von einer Last befreit zu sein. Ray sehnte sich nach der Normalität seines Zuhauses.
    Ihm graute vor dem bevorstehenden Gespräch mit Forrest. Der Nachlass ihres Vaters war soeben vollkommen vernichtet worden, und das mit der Brandstiftung würde schwer zu erklären sein. Vielleicht sollte er warten.
    Die Therapie verlief gerade so gut, und Ray wusste aus Erfahrung, dass

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