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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Müdigkeit sollte jetzt die geringste seiner Sorgen sein, denn ausruhen konnte er sich später noch.
    Der Nerven aufreibendste Teil der Aktion war das Umladen des Geldes aus den Säcken in die Tasche. Möglichst unschuldig dreinblickend, beugte Ray sich über den Kofferraum. Zum Glück war das Parkhaus menschenleer. Er stopfte so viel Geld in die Tennistasche, dass der Reißverschluss kaum noch zuging, schloss dann den Kofferraumdeckel, sah sich um, als hätte er gerade jemanden um die Ecke gebracht, und ging los.
    Über der Schulter trug er rund ein Drittel des Inhalts eines Müllsacks, al-so dreihunderttausend Dollar - das reichte, um dafür verhaftet oder ersto-chen zu werden. Mehr als alles andere wünschte er sich in diesem Moment Unbekümmertheit, doch seine Schritte und Bewegungen waren alles andere als locker. Die Augen hatte er starr geradeaus gerichtet, obwohl er sie lieber nach allen Richtungen hätte wandern lassen, um nur ja nichts Auffälliges zu übersehen. Ein Furcht einflößender Teenager mit gepiercter Nase schwankte vorbei, offenbar hatte er sein ohnehin geschrumpftes Hirn auch noch unter Drogen gesetzt. Ray beschleunigte seine Schritte. Er war sich nicht sicher, ob er die Nerven für weitere acht oder neun solcher Touren zum Parkhaus hatte.
    Ein Betrunkener auf einer Bank rief ihm etwas Unverständliches zu. Ray stolperte, fing sich wieder und beglückwünschte sich dazu, den Revolver des Richters nicht mitgenommen zu haben. In diesem Moment hätte er auf alles geschossen, was sich bewegte. Das Geld wurde mit jedem Häuserblock schwerer, aber er schaffte es ohne weitere Zwischenfälle bis zu seiner Wohnung. Dort schüttete er die Scheine aufs Bett, dann schloss er alle Tü-
    ren hinter sich ab und machte sich erneut auf den Weg.
    Bei der fünften Tour bekam er Probleme mit einem verwirrten alten Mann, der plötzlich aus dem Dunkel sprang und fragte: »Was zur Hölle tun Sie da eigentlich?« Er hatte etwas Dunkles in der Hand. Ray hielt es für eine Pistole, mit der er, das stand für ihn fest, gleich kaltgemacht werden würde.
    »Lassen Sie mich vorbei«, sagte er so grob wie möglich, doch sein Mund war knochentrocken.
    »Sie gehen schon die ganze Zeit hin und her«, schrie der alte Mann. Er stank, und seine Augen leuchteten dämonisch.
    »Kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten.« Ray hatte nicht einen Moment innegehalten, und der Alte hüpfte vor ihm her. Er musste so etwas wie der Dorfidiot von Charlottesville sein.
    »Gibt’s ein Problem?«, ließ sich plötzlich eine klare Stimme hinter ihnen vernehmen. Ray blieb stehen. Ein Polizist kam auf sie zugeschlendert, den Schlagstock in der Hand.
    Ray strahlte ihn an. »Guten Abend, Officer.« Sein Atem ging schwer, und sein Gesicht war feucht vor Schweiß.

    »Der hat irgendwas vor!«, schrie der Alte. »Geht die ganze Zeit hin und her, hin und her. Auf dem Hinweg ist die Tasche leer. Auf dem Rückweg ist sie voll.«
    »Beruhig dich, Gilly«, sagte der Polizist, und Ray atmete tief durch. Es war seine größte Angst gewesen, dass ihn jemand beobachten würde, doch jetzt war er erleichtert, dass es ausgerechnet ein Mann wie Gilly war. Er kannte viele solche Gestalten in der Fußgängerzone; Gilly allerdings hatte er noch nie gesehen.
    »Was ist in der Tasche?«, wollte der Polizist wissen.
    Es war eine unmögliche Frage, die weit über die Grenzen der Legalität hinausging. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Ray, der Juraprofessor, daran, dem Polizisten spontan eine Vorlesung über das Aufhalten von Passanten auf der Straße, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und die Zulässigkeit von polizeilicher Befragung zu halten.
    Doch er ließ den Impuls abklingen und spulte dann seinen vorbereiteten Text ab. »Ich habe heute in Boar’s Head Tennis gespielt. Dabei habe ich mir die Achillessehne überdehnt, und jetzt versuche ich, mir das wegzulau-fen. Ich wohne da drüben.« Er zeigte in Richtung seiner Wohnung zwei Häuserblocks weiter.
    Der Polizist wandte sich an Gilly. »Du kannst doch nicht einfach die Leute anbrüllen, Gilly, das habe ich dir schon mal gesagt. Weiß Ted, dass du hier draußen bist?«
    »Er hat was in der Tasche da«, sagte Gilly leiser.
    Der Polizist führte ihn weg. »Ja, lauter Geldscheine«, witzelte er. »Ich bin sicher, er ist ein Bankräuber, und du hast ihn auf frischer Tat ertappt.
    Gute Arbeit.«
    »Aber erst ist die Tasche leer und dann voll … «
    »Gute Nacht, Sir«, sagte der Polizist über die Schulter zu

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