Der Richter
Ray.
»Gute Nacht.« Ganz verletzter Tennisspieler, hinkte Ray einen Häuserblock lang, sehr zum Interesse anderer Nachtgestalten, die im Dunkeln lauerten. Nachdem er die fünfte Ladung Scheine aufs Bett gekippt hatte, holte er eine Flasche Scotch aus seiner kleinen Bar und goss sich einen Schluck ein.
Er wartete zwei Stunden, um Gilly Zeit zu geben, zu Ted zurückzukehren, der ihm hoffentlich seine Medikamente verabreichte und für den Rest der Nacht einsperrte. Außerdem hoffte er, dass inzwischen ein anderer Polizist in diesem Bezirk Dienst tat. Es waren zwei lange Stunden, in denen er sich in den düstersten Farben ausmalte, was seinem Auto im Parkhaus zwi-schenzeitlich alles zustoßen konnte. Diebstahl, Vandalismus, Feuer, Ab-schleppen durch einen verirrten Abschleppwagen - er ging jedes Schre-ckensszenario durch, das ihm nur einfiel.
Um drei Uhr morgens verließ er die Wohnung in Jeans, Wanderschuhen und einem blauen Sweatshirt mit der Aufschrift VIRGINIA auf der Brust. Die rote Tennistasche hatte er durch einen ramponierten Aktenkoffer ersetzt, die zwar nicht so viel Geld aufnahm, aber dafür auch nicht die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich lenken würde. Unter seinem Sweatshirt steckte ein Steakmesser im Gürtel, das er blitzschnell ziehen und gegen Typen wie Gilly oder andere Angreifer einsetzen konnte. Der Gedanke war idiotisch, und er wusste das, aber er war nicht mehr ganz er selbst - und auch das war ihm klar. Er war todmüde, nachdem er drei Nächte hintereinander nicht richtig geschlafen hatte, ein wenig angetrunken von drei Gläsern Scotch, wild entschlossen, das Geld in ein sicheres Versteck zu bringen, und voller Angst davor, noch einmal angehalten zu werden.
Selbst die Penner hatten sich um drei Uhr morgens in ihre Schlupfwinkel verzogen. Die Straßen in der Innenstadt waren menschenleer. Doch als er das Parkhaus betrat, entdeckte er etwas, das ihm einen gehörigen Schrecken einjagte. Am anderen Ende der Fußgängerzone war im Licht einer Straßen-laterne eine Gruppe von fünf oder sechs schwarzen jugendlichen zu sehen.
Wild krakeelend, unübersehbar auf der Suche nach Streit, bewegten sie sich langsam in seine Richtung.
Es war unmöglich, weitere sechs Touren zu machen, ohne irgendwann mit ihnen zusammenzustoßen. Spontan kam Ray ein Alternativplan in den Sinn.
Er sprang in den Audi und fuhr aus dem Parkhaus.
Nach ein paar Runden hielt er in seiner Straße direkt neben den falsch geparkten Wagen, nicht weit von seiner Haustür entfernt. Er stellte den Motor ab, öffnete den Kofferraum und griff nach einem der Müllsäcke.
Fünf Minuten später war das gesamte Vermögen oben in seiner Wohnung, wo es hingehörte.
Um neun Uhr morgens weckte ihn das Telefon. Harry Rex war dran. »Los, raus aus den Federn, Junge«, brummte er. »Wie war die Fahrt?«
Ray schwang die Beine über den Bettrand und versuchte, die Augen zu öffnen. »Wunderbar«, grunzte er.
»Ich habe gestern mit einem Immobilienmakler gesprochen, Baxter Redd, einer der besseren der Stadt. Wir sind ein paar Mal um den Clanton Square gegangen und haben die ganze Sache beredet und nach allen Seiten abgeklopft. Was für ein Chaos! jedenfalls schlägt er vor, bei dem Schätz-wert zu bleiben, vierhundert Riesen. Er meint, wir können mindestens zweihundertfünfzig kriegen. Er bekommt die üblichen sechs Prozent. Bist du noch dran?«
»Ja. «
»Dann sag gefälligst was, okay?«
»Sprich weiter.«
»Er ist auch der Meinung, dass wir ein bisschen Kohle für die Renovierung springen lassen sollten, ein bisschen Farbe, ein bisschen Bohnerwachs und ein hübsches Feuerchen würden helfen. Er hat mir einen Reinigungsdienst empfohlen. Bist du noch dran?«
»Ja.« Harry Rex war schon seit Stunden auf und wahrscheinlich längst um ein Festmahl aus Pfannkuchen, Brötchen und Würsten schwerer.
»Also, jedenfalls habe ich einen Maler und einen Dachdecker engagiert.
Wir brauchen bald eine Kapitalspritze.«
»Ich bin in zwei Wochen wieder da, Harry Rex, kann das bis dahin warten?«
»Klar. Hast du einen Kater?«
»Nein, bin nur müde.«
»Na, dann schwing deinen Hintern hoch, es ist schon nach neun bei dir drüben.«
»Danke für die Information.«
»Apropos Kater«, sagte Harry Rex plötzlich leiser und in sanfterem Ton.
»Forrest hat mich gestern Abend angerufen «
Ray stand auf und streckte sich. »Das kann nichts Gutes bedeuten.«
»Nein, in der Tat nicht. Er war total stoned, ich weiß nicht, ob von Alkohol oder sonstigen
Weitere Kostenlose Bücher