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Der Richter

Der Richter

Titel: Der Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Ge-meinschaft. Man konnte zwar untereinander heftig diskutieren, wenn es um die Hochschulpolitik ging, aber nach außen hielt man zusammen wie Pech und Schwefel, wenn es nötig war. Ray freute sich sehr, alle wiederzusehen.
    Alex Duffmans Frau schickte einen Teller ihrer berüchtigten Schokobrow-nies, die pro Stück ein halbes Kilo wogen und nachgewiesenermaßen eineinhalb Kilo auf den Hüften hinterließen. Naomi Kraig brachte einen Strauß Rosen aus ihrem Garten vorbei.
    Am späten Vormittag kam Carl Mirk herein und schloss die Tür hinter sich.
    Er war Rays engster Freund an der Fakultät, und ihre Wege zum Jurastudium waren erstaunlich ähnlich verlaufen. Sie waren gleich alt und hatten beide Kleinstadtrichter als Väter, die in ihren kleinen Countys jahrzehnte-lang als Patriarchen geherrscht hatten. Carls Vater stand im Gegensatz zu Rays noch immer hinter dem Richtertisch und pflegte den Ärger auf seinen Sohn, der sich geweigert hatte, heimzukommen und in die väterliche Kanzlei einzusteigen. Allerdings schien sein Unmut mit den Jahren immer mehr zu schwinden, während Richter Atlee den seinen mit ins Grab genommen hatte.
    »Erzähl mir, wie es war«, sagte Carl. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er die gleiche Reise in seine Heimatstadt im Norden Ohios antreten musste.
    Ray begann mit dem stillen Haus, das viel zu still gewesen war, wie ihm jetzt in der Erinnerung schien. Er beschrieb, wie er den Richter gefunden hatte.
    »Er war tot, als du ihn gefunden hast?«, fragte Carl. Ray nickte und fuhr in seiner Erzählung fort. »Meinst du, er hat den Dingen ein wenig nachge-holfen?«, erkundigte sich Carl schließlich.
    »Ich hoffe es. Er hatte große Schmerzen.«
    »Oh, Mann.«

    Ray erzählte weiter, wobei ihm Einzelheiten ins Gedächtnis kamen, an die er bis letzten Sonntag nicht gedacht hatte. Die Wörter sprudelten nur so aus ihm heraus, und das Reden hatte unversehens regelrecht eine therapeu-tische Wirkung. Carl war ein ausgezeichneter Zuhörer.
    Forrest und Harry Rex schilderte Ray in den buntesten Farben. »Solche Typen gibt es bei uns in Ohio nicht«, bemerkte Carl. Wenn sie sonst Klein-stadtgeschichten zum Besten gaben - meist vor Kollegen aus einer Groß-
    stadt -, bliesen sie die Fakten gern etwas auf, so dass die Charaktere plasti-scher wurden. Bei Forrest und Harry Rex war das nicht nötig. Sie waren auffallend genug.
    Totenwache, Leichenzug, Bestattung. Als Ray beim Zapfenstreich und dem Versenken des Sargs im Grab angelangt war, hatten beide Tränen in den Augen. Carl sprang auf die Füße und sagte: »Was für ein wunderbarer Abgang. Entschuldige …«
    »Ich bin nur froh, dass es vorbei ist.«
    »Willkommen daheim. Lass uns doch morgen zusammen Mittagessen gehen.«
    »Was für ein Tag ist morgen?«
    »Freitag.«
    »Okay, gehen wir Mittagessen.«
    Um zwölf bestellte Ray für das mittägliche Kartellrechtsseminar Pizza bei einem Home-Service, Lind sie aßen draußen im Hof gemeinsam. Dreizehn von vierzehn seiner Studenten waren da. Acht davon würden in zwei Wochen Examen machen. Die Studenten machten sich mehr Gedanken über Ray und den Tod seines Vaters als über ihre Abschlussprüfungen, aber er wusste, dass sich das schnell ändern würde.
    Als die Pizza aufgegessen war, entließ er sie; alle bis auf Kaley gingen.
    Seit ein paar Monaten war sie immer die Letzte. Es gab eine streng überwachte Flugverbotszone zwischen Fakultät und Studenten, und Ray Atlee hatte nicht die Absicht, sie zu verletzen. Er war viel zu glücklich mit seinem Job, um ihn durch ein Techtelmechtel mit einer Studentin aufs Spiel zu setzen. In zwei Wochen, wenn sie das Abschlussexamen bestanden hatte, würde Kaley ohnehin keine Studentin mehr sein, und für diese Situation gab es in den Unistatuten keine Regeln. Der Flirt zwischen ihnen war nach und nach immer intensiver geworden. Begonnen hatte alles ganz harmlos, mit einer ernsthaften Frage zum Seminar, einem Besuch in seinem Büro, um einen Termin für eine Nachprüfung abzusprechen, immer einem Lä-
    cheln in ihren Augen, das eine Sekunde zu lange dauerte.
    Kaley war eine durchschnittliche Studentin mit einem wunderschönen Gesicht und einer Figur, die Verkehrsunfälle provozieren konnte. Da sie an der Brown-Universität Hockey und Lacrosse gespielt hatte, war sie schlank und sportlich. Sie war achtundzwanzig Jahre alt, verwitwet und hatte keine Kinder, dafür eine Menge Geld. Ihr Mann war mit einem Segelflugzeug ein paar Kilometer vor der Küste von Cape Cod

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