Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
Vom Netzwerk:
hinüber in sein Zimmer.
    »Die Spaghetti sind gleich fertig. Gibt es in eurer Hütte irgendwo Parmesan?« Elke folgte ungeniert aus der Küche nach. »Tomatenmark hab’ ich gefunden…«
    »Das muss reichen, Parmesan ist nicht.«
    Elke sah sich neugierig im Zimmer um. Auf fünfzehn Quadratmetern ein ungemachtes Bett, Kleiderschrank, Schreibtisch, ein paar Bücherregale, ein abgeschabter Marshall-Verstärker mit einer daran gelehnten, nicht minder verschrammelten E-Gitarre – offensichtlich der persönlichste Gegenstand im ganzen Raum, abgesehen von einem Poster der »Ärzte« mit dem Slogan: ESGIBTNUREINENGOTT – BELAFARINROD.
    »Du spielst Gitarre? Cool. Obwohl, die ›Ärzte‹ finde ich nicht so besonders…«
    Max grinste unwillkürlich. »Kann ich mir vorstellen…«
    »Wenn du jetzt ›Die fette Elke‹ singst«, funkelte sie ihn kriegerisch an, »kippe ich dir die Nudeln vor die Füße!«
    »›Elke‹ hab ich nicht im Repertoire«, log Max und schwenkte rasch auf ein anderes Thema um. »Warum steht eigentlich dein Koffer im Flur? Hat dein Vater dich auch vor die Tür gesetzt?«
    »Ich bin freiwillig gegangen.« Sie blickte ihn jetzt verunsichert an. Von Kampfgeist plötzlich keine Spur mehr. »Kann ich nicht… ich meine, letzte Nacht ging es doch auch ganz problemlos…«
    »Du willst hier bleiben?«
    »Muss ja nicht in deinem Zimmer sein«, schob Elke eilig nach. »Vielleicht in dem von Oleg, der ist doch sowieso nicht da! Ich penne sonst auch auf ’ner Isomatte in der Küche!«
    »Vielleicht essen wir erst mal was«, wich Max aus.
    »Okay. Essen ist immer gut«, befand Elke und fing prompt Max’ amüsierten Blick auf. Sofort kochte der Zorn wieder in ihr hoch. »Ja, ich weiß, wie ich aussehe!«
    »Hab’ gar nichts gesagt…«
    »Besser so! Sonst hätte ich ja gleich bei meiner Mutter bleiben können!«
    »Was gibt’s für ein Problem mit deiner Mutter?«
    »Meine Mutter ist das Problem!«
    »So schlimm?«
    Sie schnaubte wütend. »Liegt hier irgendwo ’ne Illustrierte? Eine Programmzeitschrift für die Glotze vielleicht?«
    Was soll das, dachte Max irritiert, will sie jetzt Fernsehen gucken? »Küche, Fensterbank. Ist aber wohl noch von letzter Woche…«
    »Perfekt.«
    Schon war Elke weg und im Nu wieder zurück, hektisch in der Fernsehzeitschrift blätternd, bis sie fand, was sie suchte, und Max die aufgeschlagene Illustrierte anklagend entgegen streckte. Max griff zu und blickte auf eine dieser typischen Fotoanzeigen, die so massenhaft in solchen Blättern vorkamen, dass man sie kaum noch wahrnahm: Eine elitäre, flachsblonde Dame jenseits der Dreißig, von makellos-klassischer Schönheit und fett- wie faltenfreier Figur, gewandet in kostspielige Eleganz. Während sie gerade beschwingt an einem spiegelnden Schaufenster vorüber schritt, lupfte offenbar ein neckischer Windstoß ihr sommerliches Top um ein paar verspielte Zentimeter und gab so freie Sicht – seht her! – auf den straffen, sexy gebräunten Bauch, der einer minderjährigen Cheerleaderin zur Ehre gereicht hätte. Dabei schmachtete die Dame derart selbstverliebt ihr Spiegelbild an, dass man sofort wusste: Hier regiert weder Cellulitis noch Selbstzweifel, keine bange Stiefmutter-Schneewittchen-Frage »Wer ist die Schönste im ganzen Land?«, hier stand die Antwort bombenfest und für die völligen Ignoranten auch gleich noch als fetter Slogan darunter: ICH BIN ERFOLGREICH, WEIL ICH ICH BIN! Und wie man »ich« wird, las man gleich ein Stück tiefer: »Ich bin, was ich esse.« Daneben das Bild einer winzigen Plastikflasche, »SLIMMY, der 24-Stunden-Diät-Drink – mehr muss nicht sein«.
    Slimmy ist bestimmt sauteuer und schmeckt nach nichts, die Frau ist schon einen Blick wert, fand Max. Aber was wollte Elke ihm damit sagen? Er spürte, wie das Mädchen ihn angespannt musterte und dann jedes einzelne Wort hervorstieß wie einen persönlichen Offenbarungseid.
    »Das ist meine Mutter, Max!«
    »Eine Plastikflasche?«
    Manchmal halfen nur Kalauer. Auch diesmal. Elke entspannte sich schlagartig und schien gerade zu einem ihrer entfesselten Lachkrämpfe anzusetzen – da klingelte es Sturm an der Tür. Dann ertönte die Stimme von Professor Horst Straschitz. »Max, mach auf! Elke, ich weiß, dass du da bist!«
    Max sah Elke einen Moment lang ratlos an, dann zuckte er die Achseln, ging zur Tür, öffnete und wurde fast von der sofort eindringenden Person über den Haufen gerannt: Eine schlanke, flachsblonde Dame fegte so dicht an ihm

Weitere Kostenlose Bücher