Der Rikschamann
Plötzlich erregte der gut zwei Wochen alte Eintrag einer Userin mit dem Nickname »Pete-Sweety« seine Aufmerksamkeit: »Hey Loide, musste neulich mit meinen Eltern in die Hamburger Hafen-City. Das ist ein ganz neuer Stadtteil direkt am Wasser, mehr oder weniger noch eine Riesen-Baustelle. Laaaangweiiiiliiiig, aber mein Vadda interessiert sich für sonen Scheiß. Dann ist was ganz Irres passiert: Pete West rollt im offenen Cabrio an mir vorbei! Keine 2 Meter entfernt!! Höchstpersönlich!!! Bis ich mich eingekriegt und mein Fotohandy klargemacht hatte, war er leider schon fast weg. Konnte nur noch zu der Ecke rennen, wo er abgebogen ist, hinterherknipsen und dann warten, ob er wieder rauskommt. Hätte den ganzen Tag und auch noch die Nacht auf Pete gewartet, aber mein Vadda war nach zwei Stunden so sauer, da musste ich mit nach Hause.«
Dazu eine kleine Fotoserie. Drei Bilder. Der Standpunkt der Fotografin befand sich vor einem Hafenbecken, hinter dessen rechter Kaimauer moderne Apartmentblocks gehobener Kategorie zu sehen waren. Bild Eins zeigte eine Totale der Szenerie und das vorbeifahrende Auto – es war der metallicrote Z3 mit den goldenen Radkappen. Vom Mann am Steuer war nicht so viel zu sehen, es ließ sich aber zumindest nicht ausschließen, dass es sich dabei um Pete West handelte. Bild Zwei und Drei waren wesentlich näher herangezoomt und etwas unscharf. Sie zeigten den Wagen in einiger Entfernung vor einem der Apartmenthäuser – offenbar wartete der Fahrer den Öffnungsvorgang eines automatischen Tiefgaragentores ab, denn auf Bild Zwei stand ein großes Rolltor gerade zur Hälfte offen und auf Bild Drei war der Z3 schon fast bis zum Heck in der Einfahrt verschwunden.
Das brachte Max wieder auf den ursprünglichen Grund seiner Recherche: Die Adresse von Elena und Pete West. Wohnten sie also in der Hafen-City? Ein paar Mausklicks weiter zeigte sich, dass dies nicht der Fall war. Dem Fanforum »West the Best!« entnahm Max die Informationen, dass Pete West bürgerlich Pieter Westheim hieß und eine standesgemäße Villa am Falkenstein bewohnte. Straße und Hausnummer standen praktischerweise dabei, obwohl der Webmaster eindringlich appellierte, für Foto- und Autogrammwünsche den offiziellen Weg über des Maestros Agentur zu gehen – »Pete braucht seine Privatsphäre, um kreativ zu bleiben – und wir wollen doch alle viele neue Songs von ihm!«. Wenn sich die Welt so leicht vor weiteren Pete-West-Songs bewahren ließe, dachte Max, sollte man einen Sternmarsch der geplagten Massen zum Falkenstein organisieren. Er notierte sich die Anschrift und angelte sich den Stadtplan aus einer Küchenschublade. Die kleine Straße im Grünen fand er schnell, und noch etwas fiel ihm dabei auf.
»Gar nicht mal so weit weg vom Hirschpark«, murmelte er gedankenverloren vor sich hin. Gestern am späten Nachmittag wollte Elena Oleg und die Rikscha gesehen haben. So gegen 21.30 Uhr kam Olegs Anruf aus dem Hirschpark. Angenommen, Oleg wäre zuvor bei Pete West in der Villa gewesen? Aber warum? Hatte der große Pop-o-nator, vielleicht aus einer exzentrischen Laune heraus, sich per Fahrradrikscha nach Hause chauffieren lassen?
Nachdenklich fuhr Max das Notebook herunter, klappte es zu und trug es zurück in sein Zimmer. Vielleicht würde ihm Elena West mehr dazu sagen können. Er schnappte sich eine Jacke von der Garderobe und wollte schon die Wohnung verlassen, beschloss dann aber doch, zuvor noch einmal pinkeln zu gehen – ein langer Weg bis zum Falkenstein. Beim Händewaschen fiel sein Blick wieder auf Olegs Mobiltelefon, das immer noch auf dem Waschbeckenrand lag. Er nahm es mit in Olegs Zimmer. Es war das etwas größere der beiden Wohnzimmer – bei der Verteilung der Räume war Max die Zimmergröße egal gewesen, und Oleg fand prinzipiell alles gut, was groß war. Er besaß auch den größten Kleiderschrank, den Max je bei einem Mann gesehen hatte, der nicht gerade einen Job im Rampenlicht der Öffentlichkeit ausübte. Oleg hatte ein Faible für Klamotten. Für Ordnung eher weniger, und so sah es bei ihm auch aus. Im Chaos herumliegender Trendmode, Männer-Lifestyle-Magazine, Hanteln und anderer Fitness-Utensilien das Handy-Ladegerät zu orten, entpuppte sich als nicht gerade leichte Übung. Aber schließlich entdeckte Max es unter einem Stapel ladenfrischer Boxershorts, die auf Schwanzhöhe der sinnige Slogan zierte: »Durchgehend geöffnet«.
Max schloss das Handy an. Auf dem Display leuchtete der
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