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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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gelassen nach dem nächstgrößeren Hammer – wieder ohne hinzugucken, natürlich. Dafür fixierte er Max mit einem Blick, in dem mindestens so viel Stahl lag wie in seiner Hand. »Gieb’ hier nicht den Harten. Du solltest lieber Angst haben, das wäre besser für dich!«
    Max hatte Angst. Aber schon zuviel riskiert, um jetzt einfach so den Schwanz einzukneifen. »Was war an dem Cabrio eigentlich kaputt? An der Karre mit den goldenen Radkappen?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde zuckte Hamids Blick wieder hinüber zum Blutlappen, dann schwenkte er zurück auf Max. »Das geht dich einen Dreck an.«
    »Würdest du das auch zu den Bullen sagen, denen ich den Lappen zeige?«
    Beide hechteten gleichzeitig los. Bevor Max die Hülle mit dem Lappen erreichte, knallte Hamid ihm trocken den Hammerstiel in die Magengrube. Max klappte zusammen. Als er sich mühsam am nächsten Regal hochzog, hielt Hamid den Lappen längst in der Hand.
    »Das ist nicht dein Spiel, Max. Du bist ein netter Junge. Hast was in der Birne und bist gut erzogen. Das ist etwas wert, aber nicht immer und überall. Das Leben hat dunkle Seiten, von denen du nicht mal etwas ahnst. Sei froh darüber und geh nach Hause. Vergiss das Cabrio. Und was das hier und die Polizei betrifft…«
    Er zückte mit einer flüssigen, geschmeidigen Bewegung ein Feuerzeug, zündete es und hielt die Flamme an das Gewebe. Es fing sofort Feuer, Hamid ließ den brennenden Lappen zu Boden fallen, wo er sich samt der eingetrockneten Blutkruste knisternd aufbäumte, als würde er qualvoll sterben, und allmählich zu Asche zerfiel.
    Es gab nichts mehr zu sagen.
    Max verließ die Werkstatt durch die nun offene Schiebetür. Wenigstens konnte er noch aufrecht gehen.
    Wenigstens das.

12.
    Max ignorierte seine schmerzende Schulter und trat erbittert in die Pedale des Gelben Ungetüms, als gelte es, einen Feind in Grund und Boden zu stampfen. Tief im Inneren seiner Gefühle blieb jedoch ein beklemmend kalter Klumpen Angst unberührt von der heißen Wut. Hamids eisiger Blick ging ihm nach. Ein Blick, gleichermaßen unerbittlich, präsent und trotzdem seltsam abwesend. Ein Vieraugenfisch, dachte Max unwillkürlich. Den gab es in Hagenbecks Tierpark, den er als Kind oft mit seiner Mutter besucht hatte. Er erinnerte sich gut an das alte Troparium und an seine Faszination für dieses Tier mit dem geheimnisvollen Namen. Ein lurchähnliches, mexikanisches Höhlenwesen mit geteilter Pupille: Ein Teil peilte über der Wasserlinie, während gleichzeitig der andere Teil unter Wasser spähte. Bei Hamid war es so gewesen, dass ihm nichts entging, obwohl er dabei ständig in sich selbst hineinzuhorchen schien. Seltsam.
    Und beängstigend. Keine flotten Sprüche mehr zur deutschen Leitkultur. Keine klassische Musik, keine Dichter-und-Denker-Zitate. Nur kompromisslose Härte. Diesen Hamid kannte Max nicht. Aber wen kannte er schon wirklich? Nicht mal seinen engsten Freund. Max fasste es nicht, wie blind er anscheinend durchs Leben gegangen war.
    Das ist nicht dein Spiel, Max. Du bist gut und nett.
    Heimspieler.
    Max presste die Kiefer zusammen. Was Hamid und Oleg damit meinten, lag auf der Hand: Du bist ein doofliebes Weichei, Max Harder. Ein Schönwetterfuzzi, eine evolutionäre Sonderlaune der Natur in den zeitlich und ortsmäßig äußerst limitierten Nischen allgemeinen Wohlstands und Friedens – und nur dort überlebensfähig. Ansonsten gilt in Zeit und Raum das Gesetz des Dschungels, und davon hast du keine Ahnung. Bleib in deinem Heile-Welt-Käfig – oder du bist tot.
    Es lag bei ihm, alles Weitere Typen wie Kommissar Hesse und Bronstein zu überlassen. Die bekamen ihr Geld dafür. Aber diesen Gedanken erlaubte sich Max nur für eine Zehntelsekunde, dann verdrängte er ihn mit naheliegenderen Bedürfnissen. Er brauchte was zu Futtern. Eine Dusche. Ein frisches T-Shirt. Ein Pflaster fürs Ohr.
    Er bog vom Heußweg ab in die Sillemstraße. Die letzten Meter bis zum Hauseingang schob er die Rikscha, sicherte sie dann mit dem Schloss am Fahrradständer und zog seine Reisetasche unter der Fahrgastbank hervor. Gerade wollte er die Haustür aufschließen, da schwang sie schon nach innen.
    »Anscheinend bist du ja doch nicht ganz zum ›Schtädtele‹ hi­naus.«
    »Hey, hallo… Elke…« Max fiel aus allen Wolken. Dann entdeckte er den abgestellten Koffer hinter dem Mädchen. Das irritierte ihn endgültig. »Was machst du hier?«
    »Was ist denn mit deinem Ohr…?« Sie packte mit beiden Händen

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