Der Rikschamann
trug sie jetzt hochgesteckt, statt des lavendelfarbenen Hosenanzugs umwehte ein raffiniert geschnittenes Designer-Flatterfähnchen in Rosé ihren Luxuskörper. Offensichtlich hatte Max die Dame des Hauses nicht gerade beim Frühjahrsputz gestört. Obwohl es fast unmöglich ist, elegant aus einem flunderflachen Auto zu steigen, schaffte es Elena – trotz der angespannten Situation – sogar mit einem sexy Hüftschwung. Max applaudierte innerlich. Trotz der angespannten Situation.
Sie ließ die Wagentür demonstrativ offen und den Motor laufen. »Bitte! Soll ich die Motorhaube öffnen?«
Max schüttelte den Kopf, beugte sich in den Wagen und drehte den Zündschlüssel um. Der Motor erstarb und hinterließ Stille, in die nur ein paar Vögel unbeirrt hineinzirpten. Irgendwo ploppte ein Tennisball. Grundlinienduell zweier verbissener Gegner. Max nahm sich die Sitze vor. Feinstes Leder. Soviel zur Theorie, Hamids blutiger Lappen stamme aus dem Sitzbezug des Z 3. Die Fußmatten bestanden zwar aus irgendeinem strapazierfähigen Gewebe, schienen aber nicht erst kürzlich ausgewechselt worden zu sein.
»Kennen Sie Hamids Werkstatt?« fragte er, ohne seine Inspektion zu unterbrechen.
»Nie gehört.« Sie klang aufrichtig. »Wo soll die sein?«
Max nahm die Fußmatten hoch. Darunter war der Innenraum des Cabrios mit Velours in hellem Silbergrau bezogen. Dem blutverkrusteten Stofffetzen aus Hamids Schreibtisch war die Grundfarbe zwar nicht mehr so genau anzusehen gewesen, doch Silbergrau könnte stimmen, schätzte Max.
»In Eimsbüttel.« Er strich mit der Hand über den Veloursbezug, prüfte Nahtstellen, tastete unter die Sitze. Der Stoff fühlte sich auch ähnlich an wie der Fetzen…
»Unsere Werkstatt ist an der Osdorfer Landstraße!«
»Vorgestern Nacht war der Wagen bei Hamid.«
»Was suchen Sie da eigentlich?«
Der Veloursbezug war unversehrt, musste sich Max eingestehen. Verdammt. »Hamid hat einen Teil vom Bodenbelag ausgewechselt. Vielleicht sogar den ganzen. Ist Ihnen nichts aufgefallen?«
»Nein.«
Elenas Blick flatterte zum Kofferraum – nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch das genügte Max. Der Kofferraum! Der war bestimmt mit dem gleichen Velours ausgeschlagen. Elena langte nach dem Zündschlüssel, aber Max schnappte schneller zu und öffnete den kleinen Gepäckraum. Velours. Aber ein viel dunklerer Farbton. Max fuhr triumphierend mit dem Finger über eine nicht ganz exakte Naht.
»Frisch bezogen, nicht wahr?«
»Na und?« gab Elena trotzig zurück.
»Und warum war das nötig?«
Sie zuckte bloß die Achseln. »Ist doch egal.«
Max knallte den Kofferraumdeckel zu, warf den Schlüssel auf den Beifahrersitz und trat bedrohlich dicht vor die Frau. »Auf dem alten Bezug klebt Blut! Sehr viel Blut! Wer war vorgestern Nacht mit diesem Wagen unterwegs? Ihr Mann?«
Elena stand schreckensstarr, unfähig zur Antwort und wohl auch nicht gewillt dazu. Die Gegensprechanlage knackte.
»Lassen Sie meine Frau in Ruhe! Ich hole die Polizei!«
Max drehte sich um. Die Überwachungskamera war auf ihn gerichtet wie ein Exekutionsgewehr. Er lächelte kalt ins Objektiv. »Tun Sie das, Pieter Westheim. Ich warte hier. Aber Sie werden die Polizei nicht rufen, oder?«
Er ließ das Objektiv nicht aus dem Blick, selbst als neben ihm Elena wie von Furien gehetzt in den Z 3 sprang, den Motor startete, knirschend den Rückwärtsgang einlegte und mit durchdrehenden Reifen zurück in die Einfahrt preschte. Während das metallicrote Cabrio entschwand, schlossen sich die Türflügel und schoben ihre massiven Eisenschnörkel zwischen Max und die Westheimsche Fluchtburg. Die Überwachungskamera schwenkte nach oben, blieb in dieser Position und filmte das Wetter. Aus der Gegensprechanlage kam kein Mucks mehr. Plopp, machte irgendwo der Tennisball. Der Return blieb aus. Max stieg in den Sattel seiner Rikscha.
Audienz beendet, dachte er.
Pieter Westheim schaltete den Überwachungsmonitor ab und spürte, dass er am ganzen Körper zitterte. Dieselbe Rikscha. So ein schräges Teil gab’s nur einmal. Aber ein anderer Fahrer. Wer war dieser Typ nun schon wieder? »Sie werden die Polizei nicht rufen!« Scheißfrech. Und beängstigend, falls in dieser Hinsicht bei ihm überhaupt noch eine Steigerung möglich war.
Sein Mobiltelefon schlug an, in hämmerndem Groove: »You’re my blood, you’re my bone…«. Mit fliegenden Fingern nestelte Pieter das Gerät aus der Hosentasche.
»Ja…?«
»Nur noch mal der Zeitplan, damit das
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