Der Rikschamann
zu erregen. Er stand in einem schmalen, schwach ausgeleuchteten Gang. Von links dröhnte Musik, dort ging es anscheinend zum Dancefloor. Max wandte sich nach rechts, wo eine weitere Tür weit offen stand und Einblick in die Küche gewährte, in der ein paar verschwitzte Küchenbullen und Tellerwäscher in hektischer Betriebsamkeit herumwirbelten und den Eindringling keines Blickes würdigten. Also verfolgte Max den Gang weiter bis zum Ende, wo eine Tür mit der Aufschrift »Geschäftsführung« den Durchgang verwehrte – jedenfalls, bis er kurz anklopfte und dann probeweise die Klinke herunterdrückte. Die Tür war nicht abgeschlossen.
Im Raum dahinter brannte Licht, aber es befand sich niemand darin. Max schloss sachte die Tür hinter sich und sah sich um: Ein etwas schwülstig überladenes Büro mit einem Art-Deco-Schreibtisch, auf dessen Tischplatte als Blickfang eine goldglänzende Trophäe von der Größe eines Filmpreis-Oscars stand. Die Statue ähnelte tatsächlich dem Hollywood-Oscar, trug aber ausgesprochen überbetonte weibliche Geschlechtsmerkmale und darüber fast gar nichts. Max las die Inschrift auf dem Sockel: »Porno-Filmfestival 1998 – 1. Preis«. Es gab Sessel und Sofas mit schwellenden Lederpolstern und jede Menge gerahmter Fotografien an der Wand. Sie waren offensichtlich alle hier im Club aufgenommen worden. Fast auf jedem Bild präsentierte sich ein und derselbe Mann – der Geschäftsführer und Besitzer dieses Büros, vermutete Max, ein drahtiger Fünfziger mit kantigen Gesichtszügen und Jack-Nicholson-Grinsen. Auf keinem Bild war der Mann allein, sondern stets zusammen mit prominenten Gästen. Max erkannte Fußballstars, stadtbekannte Gesellschaftsluder, Spitzen aus Politik und Wirtschaft. Auch ein unübersehbar großes Gemeinschaftsporträt mit Pete West befand sich darunter. Eine astreine Ego-Wand.
Schritte auf dem Flur. Zwei Männerstimmen. Den Doofen spielen – oder verstecken? Max entschied sich für Letzteres und hechtete hinter einen schweren Ledersessel, gerade noch rechtzeitig.
»Hast du alles erledigt?«
Eine helle, schneidende Stimme. Max hatte sie erst vor ein paar Stunden gehört: Als er von Olegs Handy aus die Nummer des Anrufers gewählt hatte, dessen Anruf von seinem Freund noch kurz vor dem Verschwinden angenommen worden war. Verwählt, von wegen.
»Alles erledigt, wie besprochen.« Eine tiefe, kräftige Stimme. Max spähte am Sessel vorbei. Die Stimme passte zum Mann – bestimmt zwei Meter lang und mindestens so breit wie der Türsteher. Sein Anblick erinnerte Max unwillkürlich an den Riesen aus dem Hirschpark, der ihm fast den Brustkorb eingedrückt hatte. Sein Gegenüber mit der Schneidestimme war der Geschäftsführer – der Mann von den Fotos an der Wand. Er lehnte sich jetzt lässig an seinen Schreibtisch.
»Gut gemacht! Damit haben wir den Kerl kalt gestellt. Und wenn wir seinen Kumpel endgültig aus dem Weg räumen, wird man es ihm in die Schuhe schieben.«
Der Riese lachte wiehernd. »Gut, dass noch genügend von der Kleinen übrig war!«
»Hoffentlich nicht im Penthouse!« bemerkte der Lässige scharf.
»Keine Sorge. Hier ist übrigens noch der Schlüssel.« Der Riese fingerte etwas aus der Hosentasche und legte es auf den Schreibtisch. »Soll er den eigentlich wieder kriegen?«
»Ein Popstar müsste genug Geld für ein Auswechselschloss haben«, spottete die Schneidestimme. »Sogar noch, wenn wir mit ihm fertig sind…«
Draußen im Gang erklang erregtes Stimmengewirr. Jemand riss plötzlich die Bürotür auf: »Chef – in der Küche! Ausländerpolizei! Suchen Angestellte ohne Arbeitserlaubnis!«
Die schneidende Stimme stieß einen Fluch aus, dann eilten die Männer hinaus. Max verlor keinen Augenblick und schnellte aus seiner Deckung. Auf der Schreibtischplatte lag ein gezackter Sicherheitsschlüssel. Er steckte ihn ein, öffnete die Tür einen Spalt breit und verfolgte, wie sich der Tumult aus dem Gang in die Küche verlagerte. Schnell glitt er aus dem Büro. Im Vorbeihuschen sah Max mehrere Uniformierte, in wilder Diskussion mit dem Clubchef verstrickt, während der Riese zwei zeternde asiatische Küchenhelfer zusammenstauchte, die er wahrscheinlich selbst mit eingestellt hatte. Ein paar schnelle Schritte, und Max stand in der Hölle. Stroboskopblitze, Wabernebel, zuckende Leiber, spitze Schreie. Frauen, die alles zeigten und nichts preisgaben. Männer, die alles anfassten und niemanden berührten. Eine Hölle als Hedonisten-Himmel.
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