Der Ring
Maschinen überprüften, die Maschinen überprüften, dachte er. Kleine Flöhe an größeren Flöhen an großen Flöhen – und so ohne Ende immer weiter. Alles verschmolz zu einer hervorragend funktionierenden Einheit. Wie die Gesellschaft selbst – die im Kern verkam.
„Sie sind natürlich gespannt auf Ihre Kollegen“, sagte Blois. „Sie tragen übrigens alle Ringe. Hier gibt es keine Vorurteile gegen Beringte. Mister McKissic ist in dieser Hinsicht außergewöhnlich weitblickend. In dieser Abteilung bin ich der einzige Mitarbeiter, der nicht beringt ist.“
Merkwürdig. McKissic mußte einem wie ein anständiger Mann vorkommen, wenn Jeff es nicht anders gewußt hätte. Vermutet hätte, korrigierte er sich, als der Ring sich einschaltete. Oder tat der Mann das, um ein schlechtes Gewissen zu beruhigen? „Wie lange gilt diese Geschäftspolitik schon?“
„Seit die Ringe eingeführt sind. Das war, ähm, vor zwölf Jahren. Die Allgemeinen Kreiselmotoren sind aber nicht die einzigen Industriewerke, die da mitmachen. Die Glastik KG, die Maschinenmenschen A.G., die Weltraumstraßen GmbH und sogar die Lust-A.G. haben einen Personalanteil aus Beringten. Ein Beringter kann schnell aufsteigen, wenn er das Zeug dazu hat, weil der Arbeitgeber weiß, daß er von ihm nicht betrogen werden kann. Er …“
„Die Lust-A.G. ?“
„Na, Sie wissen schon – Prostitution, Glücksspiel, Rauschgift …“
„Aber wie kann ein Beringter …?“ Er entdeckte, daß er das Wort nicht gern aussprach. „Ich meine, in so einem Laden …?“
„Warum denn nicht? Das ist heute alles legal, solange die Steuern bezahlt werden. Übertragen Sie einem Beringten die Leitung der Buchführung …“
„Oh.“ Wahrscheinlich war es den Beringten nicht erlaubt, an den hautnäheren Gesichtspunkten des Lust-Geschäftes mitzuwirken. Aber es schien immerhin, daß sie innerhalb vernünftiger Grenzen dort Kunden sein konnten. Glücksspiel in vernünftigen Grenzen war kein Verbrechen, aber der Ring konnte Einhalt gebieten, lange bevor sich ein Beringter in Schulden stürzte. „Normale“ Freuden waren erlaubt, „unnormale“ verboten.
„Aber Mister McKissic hat sie als erster in großem Umfang eingestellt“, sagte Blois, der zu der früheren Frage zurückkam. „Und es hat sich bezahlt gemacht. Die Beringten erhalten eine echte Chance, und es gibt keine Industrie-Sabotage, keinen Diebstahl, keinen Verrat von Firmengeheimnissen.“
„Ich kann mir vorstellen, daß das etwas wert ist.“ Was ihn verblüffte, war, wie McKissic mit soviel Ehrlichkeit um sich her leben konnte. Wenn auch nur einer dieser vorprogrammierten Polizei-Informanten irgend etwas erfuhr, was für die Polizei möglicherweise von Interesse war …
Entweder paßte McKissic außerordentlich scharf darauf auf, welche Informationen seinen Beschäftigten zugänglich gemacht wurden, was doch seine Vorhaben irgendwie behindern mußte – oder der Mann hatte gar nichts zu verbergen. Die Zeit mußte es zeigen. „Wenn ich es richtig verstehe, geht meine Schicht von zehn bis fünfzehn Uhr“, sagte er zu dem Vorarbeiter. „Ist das alles – nur fünf Stunden?“
„Fünf Stunden pro Tag, vier Tage pro Woche. Einheitsvertrag. Wo kommen Sie denn her – von einem anderen Planeten?“
Jeff nickte.
„Nun urteilen Sie mal nicht voreilig. Fünf Stunden kommen Ihnen vielleicht viel vor, aber Sie werden auch gut dafür bezahlt.“
Der Mann dachte, seine Frage sei auf bittere Art witzig gewesen! Nach dem Zwölfstundentag (Siebentagewoche) auf Alpha IV und der Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft im Weltraumdienst kam ihm das hier nicht recht wirklich vor. Kein Wunder, daß so viele Menschen auf den Straßen waren – wenn sie die meiste Zeit über frei hatten.
„Hinterlassen Sie Ihren Daumenabdruck auf dem Arbeitszeitanzeiger da drüben und fangen Sie an. Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, können Sie zu mir kommen. Nach Schichtende mache ich Sie mit ein paar von den Burschen hier bekannt. Alle zwei Wochen feiern wir eine kleine Firmenfreundschafts-Party. Sie passen hierher, machen Sie sich da mal keine Gedanken.“ Der Vorarbeiter ging weg – und Jeff stellte sich zum erstenmal die Frage, ob er McKissic richtig beurteilt hatte. Sicher hatte der Mann eine so liberale Firmenpolitik doch nicht vor zwölf Jahren eingeführt, nur um den Sohn eines betrogenen – angeblich betrogenen – Partners zu beeindrucken.
Oder zwang sein Ring ihn durch die ständige Schmerzdrohung schon dazu,
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