Der Ring
Jeff, was das für ein Zeug war. Er hatte etwas Ähnliches auf Alpha IV gesehen: eine farblose Flüssigkeit, eingeschmuggelt natürlich, mit der verzweifelte Männer vor einer Schlägerei ihre Hände bestrichen. So behandelte Hände waren scheinbar unempfänglich für Schmerz. Einmal hatte ein Mann seinen ganzen Körper damit bestrichen und war in einer fortgesetzten Freuden-Orgie umhergegangen; er hatte jedes Mal gelacht, sobald er etwas berührte. „Der hat sich unwissentlich eine Überdosis verabreicht“, hatte ein zynischer alter Alpha-IV-Mann bemerkt. „Morgen ist er tot.“ Und so war es gewesen.
Ein breiter Rücken schob sich zwischen ihn und die Gastgeberin. Ein dunkler Kopf wandte sich halb um, und Jeff sah, daß es der Weltraumkapitän war. „Bringen Sie Ihr Ring-Mädchen hier weg, Weltraum-Mann“, sagte der große Offizier. „Das ist nichts für Sie.“
Jeff brauchte keine Extra-Einladung. Einen Moment später stand er mit Alice außerhalb der geschlossenen Tür, während das Gelächter drinnen unvermindert weiterging. Er nahm ihren Arm und führte sie zu der Korridorbrücke. „Was war das, Alice?“ Er wollte wissen, wie es auf der Erde genannt wurde.
„Es ist … oh, Jeff, es ist Schnellgaukel, ein Halluzinogen. Die Leute sprühen sich eine Körpergegend damit ein, und dann sagt ihnen jemand, daß es eine ganz andere Körpergegend ist. Ein Fuß wird zur Hand, ein Bein zum Arm, und für den Besprühten ist es wahr, auch wenn er weiß, was vorgeht. Sie halten es für sehr komisch – aber es ist eine gefährliche Droge. Wenn jemand eine Überdosis erwischt, kann er süchtig werden und nach und nach seinen Verstand verlieren, und wenn er Kinder hat …“
„Du meinst, es greift die …“
„Es greift die Erbfaktoren an, ja. Wenn die Dosis hoch genug ist.“
Er legte einen Arm um sie, fühlte den Schauder in ihrem Körper und machte sich Gedanken über die Teufelei der Frau, die sie in diese ungesunde Party hineingezogen hatte. Offenbar machte es Darlene Spaß, Menschen zu quälen – etwa auf die gleiche Art, in der ein Säufer seinen ehemaligen geheilten Kumpan quälte.
„Wo sind die Anständigen?“ fragte er. „Ist denn auf der Erde niemand …“
„Es gibt sie auch, Jeff. Die meisten sind nicht so wie diese …“ Sie brach ab, da sie keine Kraftworte gebrauchen durfte. „Du mußt sie danach beurteilen, was in ihnen steckt. Die meisten von denen auf der Party waren in Ordnung; sie haben sich nur mitziehen lassen. Dieser Kapitän …“
Sie wußte also nicht, wer der Weltraum-Offizier war. Immerhin, der Mann hatte ihnen Schwierigkeiten erspart.
„Alice, hast du dieses Zeug schon mal genommen, bevor …“
„Nein! Das nicht – und es gab einige, die mich dazu gedrängt haben. Ich hatte immer Angst davor. Ich habe zu oft gesehen, was es einem antun kann. Ich – frage mich nicht, Jeff.“
Was ging es ihn auch an? Wegen des möglichen Gen-Schadens? Er liebte ein anderes Mädchen. „Möchtest du wieder dorthin?“
„Nein.“
„In dein Appartement?“
„Nein. Bitte, Jeff, laß uns irgendwo hinfahren. In den Park. Nur um etwas anderes zu sehen und Luft zu holen. Später kann ich dich, wenn du willst, bei deiner Pension absetzen.“
Wenn du willst … Er lauschte der eigentümlichen Formulierung nach. Aus ihrer kurzen Bekanntschaft war ziemlich rasch etwas Ernsteres geworden. Merkwürdig, wie leicht sein Leben sich mit ihrem verflocht.
Er konnte sie fragen, was sie eigentlich damit meinte, und dann mußte sie es ihm sagen. Der Ring erlaubte nicht allzu viele Feinheiten und Zwischentöne. Aber er scheute sich vor einer solchen Frage.
Im Park fanden sie neben einem Lichtmast einen freien Platz am Randstein. Er half ihr heraus, und sie gingen über den Rasen – eine der wenigen grasbewachsenen Flächen, die von jedermann begangen werden durften – und wichen einem Mäh-Robot aus, der seine Arbeit gerade beendet hatte. Jenseits der Baumgruppe war die Bank, wo der zum Heiligen gewordene Paxton seine Art von Gottesdienst abhielt.
Das Geräusch von Schlägen und schwerem Atem ließ sie stehen bleiben. Nicht schnell genug. Jeff war, Alices Hand in seiner, schon auf die Lichtung hinausgetreten. Er starrte vier junge Burschen in Pseudolederjacken an, und dann die hingestreckte Gestalt des alten Mannes neben dem aufgebrochenen Geldkasten.
„Na, sieh mal einer an! Da ist ja unser Knilch mit dem Glastikfinger!“ sagte der mit der gebrochenen Nase. Über sein Gesicht ging ein
Weitere Kostenlose Bücher