Der Ring an meiner Hand
Küche. Als sie ihm folgte, stand er vor dem Kühlschrank und betrachtete das Hühnchen.
„Hast du vor, es in Wein zu kochen?“, fragte er. „Soll ich eine Flasche aus dem Keller holen?“
„Nein, danke, ich werde es einfach im Ofen braten.“
„Und das Gemüse?“ Ein wenig ungläubig betrachtete er Kohl und Karotten. „Darf ich dir bei der Zubereitung helfen?“
„Das ist nicht nötig.“ Sie zögerte. „Wie du siehst, ist die Küche sehr klein. Könnten wir sie als meinen Raum ansehen? Bitte?“
Kurz herrschte Stille, dann sagte er sehr höflich: „Aber natürlich. Verzeih mein Eindringen.“
Damit verschwand er ins Wohnzimmer, und Emily machte sich an den Abwasch. Dann wischte sie die Arbeitsplatte sauber – und danach noch ein zweites Mal. Fast hätte sie sogar den Fußboden geschrubbt, um nicht zu Rafaele zurückkehren zu müssen.
Doch als sie sich schließlich zu ihm gesellte, schien er sie kaum zu bemerken. Er hatte ein Schachspiel gefunden, die Figuren aufgestellt und brütete nun offenbar über einem Schachproblem, das in der Zeitung stand.
Emily setzte sich auf das Sofa ihm gegenüber, zog die Beine hoch und beobachtete die Flammen im Kamin. Erst nach einiger Zeit fiel ihr auf, dass sie hin und wieder zu Rafaele hinüberspähte.
„Spielst du Schach?“, fragte er plötzlich unvermittelt.
„Ich kenne die Grundzüge, mehr nicht.“
„Möchtest du es lernen?“
„Nein, ich spiele lieber Backgammon.“
„Ja, ich erinnere mich. Im Schrank gibt es ein Brett, wenn du ein Spiel wagen willst.“
„Oh nein“, lehnte sie hastig ab. „Ich habe immer nur gegen Dad gespielt.“
„Und ein anderer Gegner kommt natürlich nicht in Frage“, meinte er ausdruckslos und widmete sich wieder seinem Schachproblem.
„Ich habe einige Bücher mitgebracht“, sagte Emily. „Sie sind oben. Aber dir werden sie vielleicht nicht gefallen.“
„Lass mich raten, Liebesromane für Frauen? Die Suche nach Mr. Perfekt?“
„Unter anderem Anna Karenina“, entgegnete sie kühl. „Ich glaube nicht, dass es in diese Kategorie passt. Außerdem ein paar Krimis. Du darfst dir gern ein Buch ausleihen.“ Sie stand auf. „Ich werde sie holen.“
Einen Panzer um ihr Herz legend, betrat sie das Schlaf zimmer. Am liebsten hätte sie das Bett gar nicht angesehen, aber es zog ihren Blick wie magisch an. Dass es ordentlich gemacht war, überraschte sie. Als ob es nie benutzt worden wäre.
Sie nahm die Büchertasche aus dem Schrank und drehte sich um, wobei sie fast mit Rafaele zusammengestoßen wäre, der unmittelbar hinter ihr stand.
Mit einem Mal war ihr Mund wie ausgetrocknet. Dass ich nach oben gegangen bin, hat er doch unmöglich als Einladung missverstehen können, dachte sie und schlang die Arme um ihren Körper. „Was … was willst du hier?“
„Dir helfen“, entgegnete er und nahm ihr die Tasche ab. „Was sonst?“
Er ging aus dem Zimmer zurück nach unten. Nach einem kurzen Augenblick folgte Emily ihm.
„Es tut mir leid. Ich dachte …“
„Ich weiß, was du dachtest.“ Er räumte die Schachfiguren zurück in die Schachtel. „Doch du hast falschgelegen. Also lass uns das Thema wechseln.“
„Verstehst du denn immer noch nicht, warum ich will, dass du gehst?“ Sie sah ihn bittend an. „Alles ist so verkrampft. Und wenn wir weiterhin ständig zusammenstoßen, könnte das zu … zu Missverständnissen führen.“
„Nur in deiner Vorstellung, cara .“ Sein Tonfall klang gelangweilt. Er betrachtete jedes Buch und entschied sich dann für einen Thriller, den Emily eigentlich für sich reserviert hatte.
Aber sie würde den Teufel tun und es ihm sagen. Alles, um seiner Aufmerksamkeit zu entgehen.
Sie empfand es fast als Erleichterung, als sie etwas später in die Küche gehen und sich um das Abendessen kümmern konnte.
Doch sobald das Hühnchen im Ofen brutzelte und das Gemüse kochte, gab es nichts weiter zu erledigen. Deshalb kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und nahm wieder ihm gegenüber Platz.
Schließlich, nachdem die unbehaglichen Gedanken lange genug in ihrem Kopf gekreist waren, räusperte sie sich. „Rafaele … darf ich mit dir sprechen?“
„Mit Vergnügen.“ Er legte das Buch beiseite. „Ich dachte nur, du ziehst das Schweigen vor.“
„Auch darüber möchte ich gern mit dir reden.“ Sie schluckte. „So wie die Dinge im Moment zwischen uns liegen … du kannst doch nicht ernsthaft beabsichtigen, mit mir zusammenzuleben … nicht im wirklichen Sinn des Wortes,
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