Der Ring Der Jaegerin
Die Ähnlichkeit mit dem Buch der Katharina vom Walde war nicht zu leugnen.
»Weiß ich das? Ich kann es versuchen, Malte. Aber könnten Sie das nicht viel besser?«
»Ich? Nein. Außerdem möchte ich, dass ihr beide, Sie und Alan, es vorher lesen. Und das braucht seine Zeit. Es ist eine lange Geschichte.«
»Gut, ich werde mein Bestes tun, Malte«, versprach ich und stand auf. »Schade, dass Minerva diesmal keine Mäuse gejagt hat, aber ich hoffe, dass sie vielleicht später wieder zu mir kommt. Dann besuchen wir Sie gemeinsam.«
Er sah mich seltsam an, als wolle er noch etwas sagen, reichte mir dann aber nur die Hand und wünschte mir mit eigenartiger Stimme Lebewohl.
Irritiert verließ ich den Laden.
Kapitel 28
Am Montag fand ich in der Post einen Umschlag ohne Absender. Er enthielt, ohne weiteren Kommentar, die Kopien der Bilanzen. Die hätte Gerti mir sicher nicht geschickt, wenn sie gleichzeitig eine knappe Woche vorher bei mir eingebrochen hätte. Ich entschuldigte mich bei Alan und Pfötchen für diesen Abend und setzte mich an den Schreibtisch. Sechs Jahre lagen vor mir. Ich vertiefte mich und bildete Kennzahlen.
Im ersten Jahr gab es keinen Gewinn, na gut, das wäre auch verwunderlich gewesen, bei den Sonderabschreibungen. Das blieb auch im zweiten Jahr so, obwohl die Abschreibungen vermutlich geringer waren. Da hatten sie wohl schlechter gewirtschaftet. Aber im dritten Jahr gab es eine erstaunliche Liquidität, ohne Gewinn. Das wunderte mich gelinde. Die Liquiditätskennziffern waren überhaupt ausgesprochen hoch. Insbesondere die Bankguthaben. Das Anlagevermögen, vor allem die Maschinen und maschinellen Anlagen, verringerten sich – ja hatte der Kerl denn nie wieder investiert in den letzten Jahren? Nur abgeschrieben? In einer Hightech-Fertigung? Bemerkenswert! Aber der Knüller waren eigentlich die Vorräte und die unfertigen Erzeugnisse. Sie stiegen kontinuierlich. Bis zum letzten Jahr. Da waren sie plötzlich weg. Verkauft? Abgewertet? Der Umsatz war zwar hoch, aber nicht so hoch wie erwartet. Ich bebrütete bis weit über Mitternacht hinaus die Zahlen, machte neue Auswertungen, verglich, analysierte. Dankte mehrfach still Freund Chefren und ging dann mit roten Augen zu Bett.
Ich musste mit jemandem darüber sprechen. Aber noch nicht mit Mergelstein, beschloss ich. Wer kam in Frage? Alan nicht, das war nicht sein Metier. Aber Luigi. Zumindest verstand er als Betriebsleiter etwas von dem Aufstieg und Fall einer Fertigung.
Wir trafen uns am Abend bei Alan, und ich schilderte ihm meine Erkenntnisse.
»Sag mal, Luigi, liege ich da völlig daneben, wenn ich den Eindruck habe, dass bei HeiDi die Produktion und der Absatz etwas diskontinuierlich verlaufen?«
»Milde ausgedrückt. Ich meine, die leben von der Hand in den Mund. Und du hast völlig recht, dieses gänzliche Fehlen von Investitionen – das geht in einer Produktion nicht.«
»Und wo sind diese hohen liquiden Mittel gelandet? In der letzten Bilanz ist davon nichts mehr übrig. Ob da einer abgesahnt hat?«
»Ich verstehe zwar von Bilanzen nichts, Katharina, aber sind das nicht nur Stichtagsaussagen, die man darüber erhält?«
»Sicher. Mir wäre auch lieber, ich hätte noch ein paar andere Unterlagen. Eine hübsche Betriebsergebnisrechnung oder so etwas. Aber daran zu kommen …?«
»Was ist mit Gerti?«
»Lieber nicht. Die ist so loyal.«
»Trotzdem, ruf sie mal an und berichte ihr von deinen Entdeckungen. Vielleicht wird sie dann etwas illoyaler.«
Mit sehr gemischten Gefühlen starrte ich aus dem Fenster. Es war wärmer geworden, fast schon frühlingshaft, und zwischen den Wolkenfetzen schimmerten die Sterne. Der Mond war nur noch eine schmale Sichel über den Kaminen der Häuser.
Das sechste Siegel – verflixt, darum sollte ich mich auch langsam mal kümmern. Zum Glück hatte ich meinen Trefélin-Beutel immer dabei, darum holte ich ihn auch aus dem Auto, als wir Luigi nach unten begleiteten.
»Was hast du vor, Katharina? Einen Ausflug nach drüben?«
»Nein, Alan. Aber ich brauche das Buch. Zeit, das sechste Siegel zu öffnen.«
»Darf ich dabei sein?«
»Natürlich, das ist nichts Geheimnisvolles. Nur schade, dass Minni nicht hier ist.«
Alan behandelte den schweren Lederband mit einer Leichtigkeit, die mir noch immer abging, und legte ihn auf den Schreibtisch. Ich holte den Dolch aus der Tasche.
Das vorletzte Siegel.
Ein bisschen beklommen fühlte ich mich schon. Das Zeichen des Jupiters zierte es. Ich zog das
Weitere Kostenlose Bücher