Der Ring Der Jaegerin
Messer aus der Scheide, atmete tief ein und konzentrierte mich einen Moment lang auf das, was zu tun war. Meine Fingerspitzen kribbelten leicht, dann hob ich vorsichtig das Siegelwachs an.
Dem sechsten Siegel opferst Du
die Ehre, den Erfolg, die Macht.
Und gibst Du den Verzicht nicht zu,
so droht Dir Dunkelheit und Nacht.
Sieben Tage hast Du Zeit,
zu üben die Bescheidenheit.
»Ich habe mir damals, als ich das Buch holte, die einzelnen Sprüche angesehen, Katharina. Sie machen mir Gänsehaut. Vor allem das fünfte, das mit Tod und Grauen, das traf ja wirklich zu, nicht?«
»Die anderen auch, Alan. Aber trotz Angst und Mordanschlag, das schlimmste war das erste Siegel. Das hat mir fast den Verstand geraubt.« Ich gluckste bei der Erinnerung. Gut, dass ich das jetzt konnte.
»Warum, Kathy?«
»Och, das fiel in die Zeit, in der wir die Szene mit Samba Pa Ti geübt haben.«
Er sah mich einen Augenblick ratlos an, dann schien ihm mein seltsames Verhalten wieder einzufallen.
»Großer Gott, und ich Trottel hab dich auch noch fast vergewaltigt.«
»Nun, es gab da sehr wirkungsvolle Assoziationen, die es mir unmöglich machten, auf deine Annäherungen einzugehen.«
»Die Flammen?«
»Die Flammen. Du, das war wirklich grausig. Ich weiß nicht, ob das aus meinem Unbewussten kam oder ob die alte Katharina da wirklich so einen heftigen Zauber hineingelegt hat. Die nächsten Male waren es nicht mehr solche Flammenwände, eher kleine Warnfeuerchen.«
»Deine Vorfahrin ist als Hexe verbrannt worden. Vielleicht trägst du wirklich so eine Art Urerinnerung in dir. Manche Leute erzählen ja zum Beispiel unter Hypnose die tollsten Storys aus ihren vorherigen Leben.«
»Das Furchtbare ist, dass ich immer ihr Gesicht in den Flammen sehe. Ich denke jedenfalls, dass sie es ist. Manchmal habe ich Angst vor dem, was in mir ist, Alan. Ich habe zwar schon vieles akzeptiert, aber da scheint noch mehr zu sein. Ich hoffe nur, es ist nichts Böses dabei.«
»Ich glaube nicht, dass in dir etwas Böses steckt. Schalk vielleicht, aber mehr auch nicht. Für mich bist du jetzt schon eine wunderbare Frau, Kathy. Und wenn du dich denn noch weiter entwickeln sollst, dann wirst du nur noch wunderbarer.«
»Warum bist du so verständnisvoll, Alan? Von Anfang an bist du geduldig und großherzig gewesen.« Es war ja so schön, diese blonden Locken um die Finger zu wickeln.
»Kathy, manche Dinge kann ich nicht gut beschreiben. Ich bin ein sehr verträumtes Kind gewesen, das lange fest an die Existenz von Feen, Nixen, Elfen und Hexen geglaubt hat. Auch wenn ich es später verstecken musste, nachdem meine gleichaltrigen Freunde der Realität den Vorzug gaben. Vielleicht lag es an Onkel Malte, der mir die Gewissheit gab, dass Zauber und Magie noch nicht verloren sind auf dieser Welt. Er wurde von unserer Familie immer als einsamer Träumer angesehen, der mit seinem Kater und den alten Büchern ein versponnenes Leben in seiner Bücherecke führte. Ich glaube, bis heute hat niemand herausgefunden, wovon er eigentlich lebt. Na ja, jedenfalls hat mich das lange Zeit auch etwas absonderlich gemacht, glaube ich, bis ich dann eine Frau fand, die mich in einen ganz anderen Zauber zog. Das ging zwei Jahre gut, dann entzauberte sie mich sehr plötzlich. Danach war nichts mehr, wie es vorher war. In meine schöne Traumwelt konnte ich nicht mehr zurück, zu deutlich hatte sich die Wirklichkeit bemerkbar gemacht. Und den Zauber der ersten großen Liebe, den konnte ich auch nicht mehr finden. Ich suchte folglich den mageren Ersatz, daher mein guter Ruf in der Szene. Und dann, es war glaube ich, bei der Nikolausfeier, am Ende unseres Auftritts, da sah ich – ja, ich weiß nicht recht – einen Geist im Publikum. Du weißt ja, viel sieht man von da oben nicht in den Scheinwerfern. Aber es gab da etwas, das war heller als das Licht, die Gestalt einer Frau mit einem Katzenkopf. Unwahrscheinlich schön und so real, ich hätte die Hand danach ausstrecken können. Sie verschwand leider sehr schnell, aber irgendein verschlossenes Tor meiner Seele war damit wieder aufgestoßen. Nicht, dass ich in meine Kinderträume zurückgefallen wäre, aber es machte mich klarsichtig, was meine harte, eigentlich gar nicht zu mir gehörige Einstellung zur Welt angerichtet hatte. Dann kamst du eines Abends in meinen Kurs – und ich sah in dir die Katzenfrau. So bist du zu meinem Opfer geworden. Der hässliche alte Alan hat dir bei der ersten Probe noch mal ein Beispiel seines
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